Nehammer für Start von Verhandlungen mit Bosnien über EU-Beitritt

Es gäbe nach wie vor Mitgliedsstaaten, die Bedenken hegen. Es wäre jedoch "ein großer Fehler", die Beitrittsgespräche mit Bosnien nicht zu beginnen, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Montag.
Verhandlungen mit Bosnien über EU-Beitritt: Bedenken wegen Republik Srpska
"Auch wenn ich weiß, dass es große Bedenken gibt wegen der Republika Srpska", fügte Nehammer hinzu. Die Republika Srpska ist der serbische Landesteil Bosniens, der von dem separatistischen Regionalpräsidenten Milorad Dodik geführt wird. Die Beitrittsgespräche seien als Motor des Reformprozesses wichtig. Die EU-Kommission habe festgestellt, dass Bosnien die Beitrittskriterien im erforderlichen Maße erfüllt habe, auch wenn noch nicht alle Bedingungen erfüllt seien. Das Land habe zuletzt sieben von der EU geforderte Gesetze verabschiedet.
Auch Ukraine-Krieg Thema bei EU-Gipfel
Der EU-Gipfel werde auch über die Ukraine beraten, sagte Nehammer. Er wolle sich wie zuletzt bei der Unterstützungskonferenz in Paris dafür einsetzen, dass die EU an die Länder des globalen Südens herantrete, um den Krieg zu beenden. "Dieser Krieg und das Leiden in der Ukraine muss ein Ende haben", so Nehammer. Dazu brauche es aber mehr Fortschritte und die Unterstützung von Ländern wie Indien und China, vor allem auch um das Santionenregime gegen Russland umfassender durchzusetzen. Er habe auch mit Ägyptens Präsident Fattah Al-Sisi am Sonntag bei seinem Kairo-Besuch und mit US-Außenminister Anthony Blinken darüber gesprochen, als dieser vorige Woche in Wien war, so der Kanzler.
Nehammer betonte, eine nachlassende Unterstützung der Ukraine hätte katastrophale Auswirkungen. "Jedes Signal der Schwächung der Ukraine bestärkt den russischen Aggressor." Russland greife in der Ukraine gezielt zivile Ziele an und strebe derzeit nach weiteren territorialen Gewinnen, so Nehammer. Österreich sei bereit, weitere Sanktionen gegen Russland mitzutragen. Dass der französische Präsident Emmanuel Macron den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht ausgeschlossen habe, sei "keine gemeinsame Position", betonte Nehammer. Viele Mitgliedstaaten hätten klar gesagt, dass dies für sie keine Option wäre. In der NATO laufe dazu ein Diskurs. Jeder Staat könne selbst entscheiden, inwieweit er das Risiko einer Entsendung von Truppen in Kauf nehme. "Es hat sich die Eskalationsspirale weiter nach oben gedreht."
Auf der Tagesordnung des EU-Gipfels stehen auch Sicherheit und Verteidigung. Die Stärkung der Verteidigungsindustrie auf EU-Ebene müsse das Ziel sein, sagte Nehammer. Europa sei diesbezüglich "im Hintertreffen". Österreich werde sich im Einklang mit der Neutralität an der EU-Strategie beteiligen, betonte der Bundeskanzler.
Nehammer: EU-Gipfel muss "kaputtes Asylsystem" reparieren
Auf Drängen Österreichs hin werde der EU-Gipfel auch das Thema Migration beraten, so Nehammer. Der Migrationsdruck auf Europa nehme weiter zu, auch wenn Österreich rückläufige Zahlen verzeichne. Die im Februar gebilligten zusätzlichen EU-Mittel für Migration müssten nun rasch eingesetzt werden. Nehammer bezeichnete die jüngste Partnerschaftsvereinbarung mit Ägypten als gutes Beispiel von großer Bedeutung. Es brauche weitere Veränderungen, um das "kaputtes Asylsystem" der EU zu reparieren.
Der Gipfel soll sich überdies mit dem Nahen Osten und dem Krieg Israels gegen die Terrororganisation Hamas befassen. Priorität habe die Befreiung der israelischen Geiseln, zu denen es keinen Kontakt gebe, so Nehammer. Gegenüber Al-Sisi sei er für Israels Selbstverteidigungsrecht eingetreten, sagte Nehammer. Österreich unterstütze einen Seekorridor für humanitäre Hilfe, Ägypten sei diesbezüglich ein wichtiger Partner.
Vor EU-Gipfel: Antisemitismus-Konferenz in Wien angekündigt
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die am Dienstag gemeinsam mit ihren EU-Kollegen und Kolleginnen den Gipfel vorbereitet, kündigte im Hauptausschuss des Nationalrates für 6./7. Mai eine Antisemitismus-Konferenz in Wien an. Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Österreich sei dramatisch. Die Bundesregierung wolle insbesondere stärker auf antisemitische Vorfälle im Netz reagieren, sagte Edtstadler.
Von einer "sehr wichtigen Woche für Europas Nachbarschaftspolitik", sprach auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) vor dem Treffen mit seinen europäischen Amtskolleginnen und -kollegen am Montag in Brüssel. Grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen sei "absolut notwendig und absolut verdient". Bosnien habe schon maßgebliche Schritte gesetzt und werde weitere setzen. "Wir müssen diesem Ring des Feuers, der Europa umgibt, einen Ring der Stabilität entgegenstellen."
Er stellte klar: "Entweder wir als EU schaffen es, unser Lebensmodell in die Region zu exportieren und für Sicherheit und Stabilität zu sorgen, oder wir werden mit alternativen Lebensmodellen konfrontiert sein, die aus Russland oder China kommen können." Das könne nicht im Interesse der EU sein. Welche Mitgliedsländer derzeit noch skeptisch seien, wollte der Minister nicht benennen. Er verwies auf die "klare Empfehlung der EU-Kommission". Der Westbalkan sei der "Patio der EU, nicht der Hinterhof".
"Der Erweiterungsprozess ist eine echte Chance für Bosnien-Herzegowina, in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung aber auch für die Demokratisierung und Stärkung staatlicher Strukturen", sagte SPÖ-Delegationsleiter Andreas Schieder laut Aussendung. Abkürzungen dürfe es bei der Erweiterung aber für kein Land geben.
(APA/Red)