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Nawalny: Putin Drahtzieher des Giftanschlags

Nawalny möchte dennoch in seine Heimat zurückkehren
Nawalny möchte dennoch in seine Heimat zurückkehren ©APA (AFP/Archiv)
"Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht." - So schaut die Reaktion Russlands darauf aus.
Nawalny will nach Russland zurück
Nawalny mit Nervenkampfstoff vergiftet

Nach seiner Vergiftung hat der Kremlgegner Alexej Nawalny in einem "Spiegel"-Interview den russischen Präsidenten Wladimir Putin für die Tat verantwortlich gemacht. "Ich behaupte, dass hinter der Tat Putin steht, und andere Versionen des Tathergangs habe ich nicht", sagte er dem Nachrichtenmagazin. Wie der "Spiegel" am Donnerstag berichtete, kündigte der 44-Jährige bei einem zweistündigen Redaktionsbesuch in Berlin auch an, nach Russland zurückzukehren.

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"Meine Aufgabe ist jetzt, der Typ zu bleiben, der keine Angst hat. Und ich habe keine Angst!", so Nawalny. Er werde Putin nicht das Geschenk machen, sich aus dem Kampf in Russland zu verabschieden. Nawalny sagte, dass er die Parlamentswahl im kommenden Jahr fest im Blick habe und dort das Machtmonopol der Kremlpartei Geeintes Russland brechen wolle.

Nur die unter Putins direktem Befehl stehenden Chefs der Geheimdienste - Inlandsgemeindienst FSB, Militärgeheimdienst GRU und Auslandsgeheimdienst SWR - hätten Zugriff auf das tödliche Nervengift Nowitschok, so Nawalny.

Reaktion Russlands

Die russische Regierung wirft Nawalny indes vor, vom US-Geheimdienst CIA gesteuert zu werden. CIA-Spezialisten leiteten Nawalny an, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau. Er wies zudem Vorwürfe Nawalnys gegen Putin zurück.

Russlands Führung bestreitet zudem, dass es eine Vergiftung gegeben habe und spricht von einer Provokation. Der prominenteste Gegner von Kremlchef Putin soll mit dem Nervengift der Gruppe Nowitschok vergiftet worden sein. Der Kampfstoff ist nach dem internationalen Verbot von Chemiewaffen geächtet. Russische Geheimdienstler und Regierungsmitglieder betonten mehrfach, dass alle Vorräte des zu Sowjetzeiten entwickelten Gifts vernichtet worden seien.

Zu dem Attentat am 20. August sagte Nawalny: "Du fühlst keinen Schmerz, aber Du weißt, Du stirbst." Er habe gemerkt, das sei das Ende. "Organophosphate greifen dein Nervensystem an wie eine DDos-Attacke den Computer - das ist eine Überlastung, die dich kaputtmacht."

Zu Forderungen Russlands, endlich Beweise oder Biomaterial Nawalnys für eigene Untersuchungen vorzulegen, sagte der Kremlgegner, dass in der Klinik in Tomsk ausreichend Blut von ihm sein müsse, um die Vergiftung nachzuweisen. In dem Krankenhaus war er nach einer Zwischenlandung notärztlich versorgt worden.

Nawalnys jetziges Leben

Der Politiker durchläuft nach seiner Entlassung aus der Berliner Klinik Charité inzwischen eine Reha-Maßnahme, um wieder zu Kräften zu kommen. Nawalny, der nach "Spiegel"-Darstellung "rund um die Uhr" von Personenschützern begleitet wird, hatte sich in den vergangenen Tagen auch immer wieder in den sozialen Netzwerken zu Wort gemeldet. Er sagte, dass es ihm schon viel besser gehe - und sein Überleben auch für die Wissenschaft interessant sein könne.

Der Fall hat die Spannungen in den deutsch-russischen Beziehungen noch einmal deutlich verschärft. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die Nawalny in der Klinik besucht hatte, forderte Russland zur Aufklärung des Verbrechens auf. Moskau aber verlangt Beweise für eine Vergiftung und lehnt bis dahin Ermittlungen in dem Kriminalfall ab. Zu Nawalnys Vorwürfen äußerte sich schon kurz nach Veröffentlichung des Interviews Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin, einer der engsten Vertrauen Putins.

"Putin hat ihm das Leben gerettet", sagte Wolodin in einer auf der Internetseite der Duma veröffentlichten Stellungnahme. Von den Piloten über die russischen Ärzte bis hin zum russischen Präsidenten hätten alle Nawalnys Leben gerettet. Wenn mit ihm wirklich etwas passiert sei, dann handelte es sich um eine Inszenierung der westlichen Geheimdienste. Nawalny arbeite im Auftrag ausländischer Mächte, behauptete Wolodin.

Deutschland dankbar

Nawalny betonte in dem Interview, dass er bisher keine Verbindung zu Deutschland gehabt habe, aber dem Land, den Menschen, den Ärzten und Merkel dankbar sei. Die Experten der Charité hätten es geschafft, seine Persönlichkeit wieder herzustellen.

Zur Frage von Sanktionen wegen des Verbrechens sagte er, jede Russland-Strategie müsse "das Stadium des Wahnsinns in den Blick nehmen, das Putin erreicht hat". In der Debatte um einen Baustopp für die Ostseepipeline Nord Stream 2 überlasse er die Entscheidung aber der deutschen Politik.

Rückblick

Nawalny war am 20. August während eines Inlandsflugs in Russland zusammengebrochen und später zur Behandlung nach Deutschland gebracht worden. Wochenlang lag er dort im künstlichen Koma. Nach dem Befund eines Bundeswehr-Speziallabors wurde er mit dem Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Das sollen auch Labors in Frankreich und Schweden bestätigt haben. Mit Spannung werden aktuell die Untersuchungsergebnisse der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) erwartet. Danach drohen Russland neue Sanktionen.

(APA/ag.)

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