Nationalrat: Die zentralen Vorhaben im Überblick
MEHRWERTSTEUERSENKUNG: Seit das Gespenst Teuerung umgeht, wurde auch die Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von verschiedenen Seiten immer wieder ventiliert. Entsprechende Vorschläge kamen bereits vor einem halben Jahr von der mittlerweile zurückgetretenen Kärntner SPÖ-Chefin Gaby Schaunig sowie dem BZÖ und der FPÖ. SP-Chef Werner Faymann übernahm den Vorschlag und schrieb ihn in sein Fünf-Punkte-Programm zur Entlastung. Der Haken an dem Vorhaben ist neben den Vorbehalten zahlreicher Skeptiker, ob eine solche Maßnahme von den Handelsketten an die Konsumenten weitergegeben würde, rein gesetzlicher Natur: Die EU lässt pro Mitgliedsstaat nur zwei verringerte Mehrwertsteuersätze zu, was im Falle Österreichs bereits beim Weinverkauf ab Hof (12 Prozent) sowie unter anderem für Lebensmittel, Mieten, Bücher, Kunstgegenstände oder Blumen (10 Prozent) zur Anwendung kommt. Neben dem Kampf um die Interpretationshoheit darüber, ob der “ab Hof verkaufte Wein” als ermäßigte Mehrwertsteuer gilt oder nur als Zwischensatz, sorgte die Debatte zwischen SPÖ und ÖVP auch für ein weiteres Kapitel “Österreich und die EU”: Wechselseitig beschuldigten einander die Koalitionspartner, in Brüssel für bzw. wider den Vorschlag interveniert zu haben. Nachdem die Kommission zweimal zu dem Thema Stellung nehmen musste, riss dem EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquin Almunia am Mittwoch schließlich der Geduldsfaden: “Ich gebe ihnen die Antwort nach den Wahlen”, meinte er auf Journalistenfragen zu dem Thema. Die ÖVP lehnt die Maßnahme jedenfalls ab, weil sie nicht sozial treffsicher sei.
STUDIENGEBÜHREN: Ein rotes Wahlkampfzuckerl mit Wiedergänger-Charakter: Eine Abschaffung der Studiengebühren war eine zentrale Forderung der SPÖ beim Urnengang 2006, der überraschende Wahlsieger Alfred Gusenbauer (S) ließ sich diese trotz Kanzleranspruch von der ÖVP herausverhandeln, womit der Grundstein für sein Umfaller-Image gelegt wurde. Im Zuge der Neuwahlankündigung der ÖVP forderte das Thema ein weiteres politisches Opfer in den roten Reihen: Bildungssprecher Josef Broukal, der das Zeitfenster nutzen wollte, um mit Hilfe der FPÖ und Grünen die Abschaffung im Nationalrat durchzuboxen warf entnervt das Handtuch, als die Parteiführung die roten Abgeordneten zurück pfiff. Mit dem Fünf-Punkteprogramm Faymanns steht die Forderung erneut auf der Agenda, Broukal könnte mit einem Beschluss also beruhigt in die Politpension gehen.
PFLEGE: Das Pflegegeld gibt es seit 1993, seitdem ist es erst dreimal erhöht worden. Der Neuwahlantrag hat hier bei Rot und Schwarz einiges in Bewegung gebracht. Zurückhaltend war die ÖVP etwa vor der Aufkündigung der Koalition bezüglich einer Erhöhung des Pflegegeldes mit 1. Jänner 2009 gewesen und hatte für eine Evaluierung im Dezember plädiert. Die Position wurde aufgegeben. Im Gegenzug rückte Sozialminister Erwin Buchinger (S) von seinem Plan ab, das Pflegegeld generell um fünf Prozent zu erhöhen und stimmte einer gestaffelten Erhöhung zu. In Sachen Wegfall der Vermögensgrenze hatte Buchinger schon zuvor eingelenkt. Gemäß einem Ministerratsbeschluss, der noch vor dem Aufkündigen des Stillhalteabkommens der Koalition durch die SPÖ beschlossen wurde, soll das Pflegegeld gestaffelt um vier bis sechs Prozent angehoben werden. Neben der Anhebung gibt es auch Verbesserungen bei der Einstufung. So soll demenzerkrankten Personen bei der Einstufung in den Stufen 1 und 2 eine Erschwerniszulage von 30 Stunden angerechnet werden, in den Stufen 3 und 4 soll diese 20 Stunden betragen. Schwerbehinderte Kinder und Jugendliche bis zum siebenten Lebensjahr wird ein zusätzlicher Pauschalwert von 50 Stunden angerechnet. Jugendliche mit schweren Behinderungen bis zum 15. Lebensjahr erhalten pauschal 75 Stunden. FAMILIENBEIHILFE: Mit der aus dem hoch verschuldeten Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) gespeisten Familienbeihilfe unterstützt der Staat jede Familie, unabhängig vom Einkommen. Der Zuschuss ist nach Alter und Anzahl der Kinder gestaffelt. Die Grundbeträge wurden seit 2000 nicht mehr angepasst, wodurch der Wertverlust laut Inflationsrechner der Statistik Austria seither 14,6 Prozent ausmacht. Die SPÖ hat im April eine Anhebung der Familienbeihilfe gefordert, was von der ÖVP damals abgelehnt wurde (u.a. mit dem Argument, dass davon auch kinderreiche Ausländerfamilien profitieren würden). Finanzminister Wilhelm Molterer (V) schlug seinerseits Ende Juli eine 13. Monatsrate für in Ausbildung befindliche Kinder vor, was einer Anhebung um gut acht Prozent entsprechen würde. Streitpunkt war nach wie vor die Streuung: Die SPÖ pochte auf eine Auszahlung der 13. Beihilfe für alle Kinder, die ÖVP wollte sie nur Kindern über sechs Jahren – also jenen, die sozusagen in Ausbildung sind – zukommen lassen. Mittlerweile wurde aber auch hier Einigkeit hergestellt und das zusätzliche Geld kommt allen Kinder zu Gute.
“HACKLERREGELUNG”: Die im Jahr 2000 eingeführte Langzeitversichertenregelung, vulgo “Hacklerregelung”, sieht vor, dass Männer mit 60 Jahren und 45 Beitragsjahren und Frauen mit 55 Jahren und 40 Beitragsjahren ohne Abschläge in Pension gehen können. Die Regelung läuft Ende 2010 aus. Die Verlängerung über das Jahr 2010 hinaus war ursprünglich Teil des Pensionspaketes der Regierung und mit der umstrittenen Pensionsautomatik verknüpft. Nach der Aufkündigung des Koalitionspakts ist die Verlängerung bis 2013 Teil des Entlastungspakets der SPÖ und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer kann sich mittlerweile ebenfalls eine Verlängerung bis 2013 vorstellen. Unterschiedliche Auffassungen vertreten rot und schwarz aber nach wie vor über die Zeit danach: Die ÖVP will eine Ausschleifregelung, wonach ab 2014 bis 2023 das Antrittsalter für Hackler jährlich um ein halbes Jahr angehoben werden soll, bis dann eben das Regelpensionsalter erreicht ist, die SPÖ lehnt das ab. FPÖ und BZÖ wollen eine unbefristete Verlängerung, die Grünen sind für 2013 und präferieren dann eine Übergangsregelung.