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Najaf: Szenen wie nach einem Tornado

Ramponierte Häuser, zerstörte Geschäfte und ein fauliger Verwesungsgeruch: Nach drei Wochen harter Kämpfe bietet die Altstadt von Najaf ein Bild der Verwüstung. Während der Gefechte sind viele Bewohner aus ihren Häusern geflohen.

Jetzt, wo sie in ihre Wohnungen und Arbeitsstätten zurückkehren, kommt bei ihnen kaum Freude über das Ende der Gefechte auf. Viele empfinden vor allem Wut und Verzweiflung: Wut gegen die Milizionäre des radikalen Predigers Moktada al-Sadr, Verzweiflung angesichts der ungewissen Zukunft.

„Die meisten der Milizionäre sind doch nicht mal von hier“, erregt sich der 55-jährige Niadem Eidan. „Fünf Prozent von ihnen mögen aus Najaf sein. Aber die Altstadt ist zu 70 Prozent zerstört.“ Der Mann mit dem weißen Bart sitzt vor den Ruinen seines Geschäfts: Das Dach ist eingebrochen, Teile der Mauer bröckeln auf die Straße, in die sich die Ketten der amerikanischen Panzer eingegraben haben. „Ich weiß nicht einmal, warum ich hier sitze“, murmelt der Mann. „Es gibt ja nicht mal mehr etwas zu stehlen oder zu zerstören.“

So wie Eidan geht es vielen Bewohnern aus der Altstadt an diesem ersten Tag nach dem Rückzug der schiitischen Mahdi-Miliz. Im Umkreis von einem Kilometer rund um die Imam-Ali-Moschee, das Heiligtum der Schiiten, ist die Stadt ein großes Ruinenfeld. Seit Sonnenaufgang schon sieht man Familien, die sich ihren Weg durch Blechstücke und Reifen zu ihren Wohnungen bahnen. Inmitten der Trümmer bahnen sich Abwässerrinnsale ihren Weg, verströmen verwesende Eselkadaver einen stechenden Geruch.

Verzweifelt ist auch der Bäcker Halim Mohammed Rassul. Sein Haus ist fast unbeschädigt, dafür ist sein Geschäft zerstört. „Man könnte wohl alles reparieren, aber mir fehlt das Geld“, sagt der 40-Jährige. „Die Regierung hat zwar Entschädigungszahlungen angekündigt, aber ich wäre nicht überrascht, wenn ich nichts erhalte“. Wo soll er also das Geld hernehmen, wenn er keine Arbeit hat? Und wie soll er seine sieben Kinder ohne Geld über die Runden bringen?

„Sie können sich noch so anstrengen – Najaf wird nie mehr so sein wie vorher“, sagt sein Nachbar, Mohammed Massuf. Sein Hotel ist von den Kämpfen zerstört. In den Betten hat schon seit April kein Gast mehr gelegen: Als die Milizen des Moktada al-Sadr ihren Aufstand begannen, hat Mussaf sein Haus gleich geschlossen. „Es wird noch ein oder zwei Jahre dauern, bis die Geschäfte wieder so wie vorher laufen“, sagt er resigniert.

Einen ersten Hoffnungsschimmer in dieses Chaos bringen die städtischen Feuerwehrmänner. Zusammen mit ihren Kollegen aus der benachbarten Stadt Kerbela sind sie damit beschäftigt, die gröbsten Schäden zu beseitigen.

In einer anderen Straße, die aussieht, als habe hier ein Tornado gewütet, steht ein junger Mann und versucht, Telefon und Stromkabel zu entwirren. „Ich glaube, ich habe noch mal Glück gehabt“, sagt der 28-jährige Hadi. Während der Kämpfe hat er sich zu Verwandten in einen Vorort von Najaf geflüchtet. Sein Haus ist nur leicht beschädigt worden; in der ersten Etage ist eine Mauer eingebrochen. Verärgert ist er trotzdem. „In unserem Haus haben wir zu fünfzehnt auf 100 Quadratmetern gewohnt. Bis ich das nötige Geld für die Reparaturen habe, müssen wir auf 75 Quadratmetern leben.“

Auch er ist erbost gegen die Milizionäre Sadrs. „Wenn Ihr die Amerikaner so sehr verachtet, dann kämpft doch in den USA gegen sie“, wettert er gegen sie. „Alles, was Ihr jetzt macht, bringt nur Tod und Zerstörung über das irakische Volk.“

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