Nach Jahrzehnten vergeblicher Suche nach Verhandlungslösungen kommen Politiker und Analysten auf beiden Seiten zur gleichen Feststellung: Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch scheint gegenwärtig ausgeschlossen.
Erbittert über die israelische Strategie, den Status Quo zu verfestigen, versucht die Palästinenserführung, eine Lösung auf internationaler Ebene zu erzwingen. Vor einer Woche forderte sie vom UN-Sicherheitsrat, den Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten binnen drei Jahren zu beschließen.
In New York knapp gescheitert, feuerte Präsident Mahmoud Abbas binnen 24 Stunden das schwere Geschütz ab, mit dem er schon lange gedroht hatte: Er unterschrieb das Beitrittsgesuch zum Internationalen Strafgerichtshof, vor den er israelische Politiker und Kommandanten stellen will.
Auf diese “diplomatische Kriegserklärung” reagierte Israel wie schon bei ähnlichen Anlässen mit finanziellen Sanktionen. Mehr als hundert Millionen Euro an Steuergeldern, die den Palästinensern für Dezember zugestanden wären, wurden blockiert, “härtere und umfassendere Sanktionen” angekündigt. “Auch angesichts der am 17. März bevorstehenden Wahlen dürfte die israelische Regierung die Strafmaßnahmen weiter verschärfen”, erwartet Naji Sharab, Politikprofessor an der Al-Ashar-Universität von Gaza-Stadt.
Genau wie Ende 2012, als Palästina die Aufwertung zum Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen erreichte und dafür mit Sanktionen bestraft wurde, stehen Israel und sein engster Verbündeter, die USA, “vor einem Dilemma”, sagt der Völkerrechtler Robbie Sabel. “Einerseits soll die Autonomiebehörde in Ramallah mittels Pressionen vom Gang vor den Strafgerichtshof abgehalten werden. Andererseits soll sie nicht zu sehr geschwächt werden und die Kontrolle über die Palästinenser im Westjordanland behalten”, erläutert der frühere Berater des israelischen Außenministeriums die Ausgangslage.
Abbas könnte als Reaktion auf die Mittelblockade mehr denn je versucht sein, die bisher enge Sicherheitskooperation mit Israel gegen gewaltbereite Extremisten zu beenden, für die er von der Mehrheit seiner Landsleute als “Gehilfe Israels” geschmäht wird. Sollte er diese Zusammenarbeit stoppen, die sich vor allem gegen die islamistische Hamas richtet, hätte er nur noch einen Trumpf im Ärmel: die Selbstauflösung der Palästinenserbehörde und Übereignung der kompletten Verantwortung an die Besatzungsmacht Israel.
Sharab warnt, dass ein solcher Schritt eine Gewaltexplosion in der gesamten Region auslösen könnte, was auch das Ausland wisse. “Die Führung in Ramallah setzt darauf, dass die internationale Gemeinschaft Israel zum Einlenken bewegt, um diese Eskalation zu verhindern”, analysiert er.
Dass die Palästinensische Autonomiebehörde nun ihre letzten Karten ausspielt, “liegt daran, dass der in Oslo begonnene Friedensprozess endgültig unter der Erde ist und wir nun in ein neues Kapitel eintreten”, sagt Karim Bitar, Nahostexperte am Pariser Forschungsinstitut Iris. “In dieser neuen Phase des internationalen Kräftemessens auf der politischen, juristischen und medialen Bühne geben beide Seiten derzeit keine gute Figur ab.”
Dies zeige zum einen “der amateurhafte Auftritt der Palästinenser vergangene Woche in der UNO”, erläutert Bitar. Auf der anderen Seite stehe “die Arroganz der Israelis, die starr und unflexibel sind”. Dazu komme die unentschlossene Haltung der internationalen Gemeinschaft, die auf Worte keine Taten folgen lasse.
Insbesondere die künftige Vorgehensweise Washingtons bleibt derzeit unscharf. So hat eine Sprecherin des Außenministeriums am Montagabend gewarnt, ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof könne die US-Hilfszahlungen an die Palästinenser beeinflussen. Zugleich kritisierte sie aber die Folgen der israelischen Mittelblockade.