Erste Schritte zu einem Ende des Blutvergießens, dem in den vergangenen 32 Monaten mehr als 3.000 Israelis und Palästinenser zum Opfer fielen, scheinen in greifbare Nähe gerückt. Doch selbst wenn tatsächlich direkte Erfolge erzielt werden: Was die langfristigen Ziele angeht, könnten beide Seiten kaum weiter auseinander liegen. Das bis 2005 angestrebte Friedensabkommen liegt noch in weiter Ferne.
Bei dem Dreiergipfel zwischen US-Präsident George W. Bush, dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon und dem palästinensischen Regierungschef Mahmud Abbas am (morgigen) Mittwoch soll der internationale Friedensplan offiziell gestartet werden. Vorgestellt hat das so genannte Nahost-Quartett aus USA, EU, UN und Russland die „Road Map“ bereits im April. Sharon vollzog anschließend mit der grundsätzlichen Annahme des Plans zwar einen radikalen Kurswechsel. Wie weit er in den strittigen Fragen aber tatsächlich auf die Palästinenser zugehen will, ist offen.
So verlangt Israel von den Palästinensern, dass sie das Recht auf einen jüdischen Staat anerkennen. Das lehnen diese jedoch ab, da sie damit ihre Forderung nach einem Rückkehrrecht für 3,5 Millionen palästinensische Flüchtlinge aufgeben müssten. Umgekehrt fordern die Palästinenser die Auflösung aller rund 100 seit März 2001 in den Autonomiegebieten gebauten jüdischen Siedlungen. Das sieht auch die „Road Map“ vor – Israel jedoch hat sich nur zum Abriss eines Teils der Siedlungen bereit erklärt.
Erstes Ziel des Gipfeltreffens im jordanischen Akaba ist die Verabschiedung von Erklärungen, in denen Israelis und Palästinenser sich gegenseitig das Existenzrecht zusichern und der Gewalt abschwören sollen. Bush hofft außerdem, dass sich beide Seiten auf konkrete Schritte zur Umsetzung der ersten Phase des Friedensplans verständigen könnten. Im Mittelpunkt stehen dabei ein Ende der palästinensischen Anschläge gegen israelische Ziele und die Auflösung der israelischen Siedlungen im Westjordanland. Mittelfristiges Ziel ist ein schrittweiser Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten.
Bushs persönlicher Einsatz geht im Wesentlichen auf den Druck arabischer und europäischer Regierungen zurück, die von den USA immer wieder eine aktivere Rolle im Nahost-Friedensprozess forderten. Für den US-Präsidenten steht in Akaba viel auf dem Spiel: Ein diplomatischer Erfolg würde seinen Status in der arabischen Welt deutlich stärken. Wenn er Israel zur Aufgabe von Außenposten in den Autonomiegebieten bewegen könnte, wäre das ein deutliches Signal.
Abbas scheint ernsthaft an einem Ende der Gewalt gelegen – allerdings verlangt er dafür im Austausch die Garantie für einen eigenen Staat Palästina. Vor ihm liegt viel Überzeugungsarbeit, wenn er die militanten Organisationen, allen voran Hamas und Islamischer Dschihad, zu einer Waffenruhe bewegen will. Auch droht ihm möglicher Widerstand des palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat, der nach wie vor über beträchtlichen Einfluss verfügt.
Die nächste Stufe der „Road Map“ sieht bis 2005 die Bildung eines palästinensischen Staates mit provisorischen Grenzen vor. In Verhandlungen über eine endgültige Grenzziehung würden die Palästinenser dann wohl dieselben Forderungen auf den Tisch legen, die Israel schon in allen vorangegangen Gesprächen abgelehnt hat: ein Recht auf das gesamte Westjordanland und den Gazastreifen, eine Hauptstadt in Ostjerusalem, die Auflösung aller jüdischen Siedlungen und ein Rückkehrrecht für alle Flüchtlinge.
Für die meisten Israelis besteht das einzige Ziel in einem Ende der Gewalt. In Umfragen äußerte die Mehrheit der Bevölkerung die Bereitschaft, für einen dauerhaften Frieden auf einen Großteil der palästinensischen Forderungen einzugehen. Auch Sharon hat offenbar vor, zumindest einen Teil seiner Verpflichtungen aus der „Road Map“ zu erfüllen, darunter den Truppenrückzug aus einigen Gebieten. Doch nur wenige Beobachter erwarten, dass er seine Ansichten wirklich grundlegend geändert hat. Denn noch vor nicht allzu langer Zeit hatte Sharon noch erklärt, auch nur die Aufgabe des kleinsten Teils des Westjordanlands gefährde die Sicherheit Israels.