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Nahost: Christlich-muslimische Konflikte

Im Raum Bethlehem ist es zu Auseinandersetzungen zwischen Christen und Muslimen gekommen. Dahinter steckt die populäre muslimische Vorstellung, dass man christliche Mädchen straflos entführen, verheiraten und islamisieren könne.

Auch in anderen islamisch geprägten Gebieten kommt es immer wieder zu solchen Vorfällen, vor allem in Ägypten. Bei den Auseinandersetzungen in der Gegend von Bethlehem in den vergangenen beiden Wochen wurden mindesten 35 Christen verletzt. Auslöser des bewaffneten Streits war eine angebliche Liebesbeziehung zwischen dem 24-jährigen muslimischen Polizisten Fadi Omar und der 16-jährigen christlichen Schülerin Adriana Sabat, die US-amerikanische Staatsbürgerin ist.

Vor zwei Wochen soll Omar die junge Christin nach Schajouch bei Hebron entführt haben, wo sein Familienclan lebt. Der junge Mann behauptete, dass es sich um eine „Liebesgeschichte“ handelte, die Schülerin ihm „freiwillig“ gefolgt sei, sie wolle zum Islam konvertieren und ihn heiraten. Eine Version, die die palästinensische Polizei akzeptierte. Sabats Familie und Freunde wandten sich an das amerikanische Konsulat, israelische Behörden und das lateinische Patriarchat in Jerusalem.

Schülerin blieb zunächst bei “Geliebtem”

Denn weder der Vater noch die begleitenden Geistlichen konnten die Schülerin, die mittlerweile muslimische Kleidung und ein Kopftuch trug, davon überzeugen, das Dorf ihres „Geliebten“ zu verlassen. Dies gelang erst amerikanischen Konsulatsbeamten, deren gepanzerte Wagen dabei beschossen wurden. Die Schülerin wurde ins lateinische Patriarchat in Jerusalem gebracht und in die USA ausgeflogen.

Rückkehr lebensgefährlich

Eine Rückkehr nach Bethlehem hätte ihr Leben gefährdet, hieß es im lateinischen Patriarchat. Auch der Polizist, je nach Standpunkt „Liebhaber“ oder „Entführer“, floh aus dem Schussfeld zwischen Christen und Muslimen in Bethlehem in die jordanische Hauptstadt Amman. Zeitgleich heizten mehrere Morde die Stimmung weiter an: Im Viertel Jabel Mukaber in Jerusalem wurden zwei muslimische Schwestern von ihren Brüdern getötet, weil sie die Familienehre zerstört hätten.

In Ramallah tötete ein christlicher Mann seine 22-jährige Tochter, weil sie versucht hatte, mit ihrem muslimischen Freund nach Jordanien zu fliehen. Schon seit Jahren gibt es immer wieder Berichte über eine Diskriminierung von Christen in der Gegend von Bethlehem. Viele schweigen aus Angst und ziehen es vor, auszuwandern. Allein seit Beginn der Intifada haben nach jüngsten Schätzungen etwa 5.000 Christen das Gebiet verlassen.

Israelische Propaganda?

Geheime Reports über die Beschlagnahme von christlichen Häusern, die Zerstörung christlicher Symbole, Schändung von Friedhöfen und Vergewaltigungen werden von offizieller palästinensischer Seite immer wieder als „israelische Propaganda“ abgetan. Die jüngsten Ereignisse belasten das ohnehin gespannte Verhältnis noch mehr. „Wir haben nichts gegen Muslime, fürchten aber, zu einer immer kleineren Minderheit an der Geburtsstätte Jesu gemacht zu werden“, sagte ein anonym bleiben wollender Christ der „Jerusalem Post“, die bisher als einzige Zeitung über die Vorfälle berichtete.

„Ein muslimischer Polizist geht straffrei aus, obgleich er eine Minderjährige entführt hat. Hier wäre die Hölle los, wenn ein Christ eine muslimische Frau entführt, getauft und geheiratet hätte. Die ganze christliche Gemeinschaft wäre dann nicht mehr ihres Lebens sicher“, so seine Einschätzung.

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