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Nach Pride-Parade - Ungarn spricht von Demo "auf Befehl Brüssels"

©APA/AFP
Auf die große Pride-Parade in Budapest mit der Rekordzahl von gut 200.000 Teilnehmern könnten nach Befürchtungen von Oppositionspolitikern Rekord-Geldstrafen folgen.
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Nach Angaben der Organisatoren trotzten bis zu 200.000 Menschen am Samstag einem von dem rechtsnationalistischen Kabinett durchgesetzten polizeilichen Verbot und marschierten mit riesigen Regenbogen- und EU-Flaggen durch Budapest. Die Regierung sprach von einer Demonstration "auf Befehl Brüssels".

Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán schränkt die Rechte von Schwulen, Lesben und anderen sexuellen Minderheiten seit Jahren immer mehr ein. Unter dem Vorwand des "Kinderschutzes" wurden Gesetze und die Verfassung geändert, um die seit 30 Jahren alljährlich in Budapest gefeierte Pride-Parade zu vereiteln. Die oppositionelle Budapester Stadtregierung machte sich daraufhin zum Mitveranstalter der Parade, damit sie trotz Verbots stattfinden konnte.

Rekordstrafen könnten drohen

Zahlreiche Kamerawagen der Polizei seien am Samstag im Einsatz gewesen, und gearbeitet werde mit Software zur Gesichtserkennung, schrieb der parteilose Abgeordnete Ákos Hadházy auf seiner Facebook-Seite. "Die nächsten Tage werden erweisen, was die Kameras können."

Die ungarische Polizei hatte die diesjährige Pride im Vorfeld verboten. Die Behörde bezog sich auf neue gesetzliche Grundlagen, die der Rechtspopulist Orbán schaffen ließ. Demnach können nun Versammlungen untersagt werden, bei denen nicht-heterosexuelle Lebens- und Verhaltensweisen sichtbar gemacht werden.

Während des Umzugs am Samstag griff die Polizei nicht ein. Das novellierte Gesetz sieht aber vor, dass Teilnehmer einer für "illegal" erklärten Versammlung mit Geldstrafen von umgerechnet 500 Euro belangt werden können. Das Gesetz erlaubt außerdem den Einsatz von Gesichtserkennungs-Software, um Teilnehmer zu identifizieren.

Gegen Geldstrafen können Betroffene zwar vor Gericht Einspruch einlegen. Sie werden aber bei mutmaßlichen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz unmittelbar nach ihrer Verhängung vom Finanzamt eingetrieben. Den Organisatoren einer "illegalen" Versammlung drohen zudem Gefängnisstrafen von bis zu einem Jahr.

Magyar: Verbot als Eigentor der Regierung

Regierungssprecher Zoltán Kovács bezeichnete den Protestmarsch am Samstagabend als "auf Befehl Brüssels" initiiert. "Mit der Pride hat die Opposition gegen Gesetze aufgewiegelt, die ihr nicht gefallen, Ungarns Souveränität verhöhnt und - mit ausländischer Unterstützung - versucht, uns die woke Kultur aufzuzwingen", schrieb er im Onlinedienst X.

Budapests Bürgermeister Gergely Karácsony sprach von einer Rekordbeteiligung bei der Parade und dankte Regierungschef Orbán auf Facebook ironisch dafür, mit seinem Vorgehen "für eine tolerantere Gesellschaft geworben" zu haben. Bürgermeister Karácsony hatte zuvor erklärt, es sei keine behördliche Erlaubnis notwendig, weil es sich um eine "städtische Veranstaltung" handle. Mit ihrem Versuch, die Parade zu verbieten, habe die Regierung "ein fettes Eigentor geschossen", schrieb Oppositionsführer Péter Magyar auf Facebook. Der bisherige Teilnehmerrekord bei einer Pride-Parade in Budapest war bei 35.000 gelegen.

"Ich könnte weinen"

Angesichts von Orbans restriktiver Politik hatte die Pride-Parade in diesem Jahr eine besondere politische Bedeutung. "Es geht nicht nur darum, Homosexuelle zu repräsentieren. "Es geht darum, für die Rechte der Ungarn einzutreten", sagte der 18-jährige Student Akos Horvath der Nachrichtenagentur AFP. "Ich bin stolz darauf, schwul zu sein", sagte der 66-jährige Zoltan. "Ich habe Angst, dass die Regierung uns unterdrücken will." Die hohe Teilnehmerzahl bei der Parade habe ihn überwältigt: "Ich könnte weinen."

Auch Dutzende EU-Parlamentarier und europäische Politiker marschierten bei der Parade mit. 33 Länder, darunter fast alle EU-Mitgliedstaaten, hatten sich zuvor in einer Erklärung solidarisch mit dem Marsch erklärt. Auch mehrere Abgeordnete von SPÖ, Grünen und NEOS waren dabei.

Wahlen im Frühling 2026

Der Abgeordnete Hadházy, der selbst immer wieder Proteste gegen die Regierung organisiert, verwies in seinem Facebook-Posting auf die möglichen weiteren Konsequenzen des repressiven Versammlungsrechts. Eine Pride gebe es nur einmal im Jahr, schrieb er, aber länger anhaltende Protestwellen, ausgelöst etwa durch einen Wahlbetrug, könnten durch die permanente Verhängung von hohen Geldstrafen effizient unterdrückt werden.

Die nächsten Parlamentswahlen stehen im Frühling 2026 bevor. Jüngste Meinungsumfragen sehen Orbans Fidesz-Partei um elf bis 15 Prozentpunkte im Rückstand hinter der neuen Tisza-Partei des konservativen Herausforderers Peter Magyar.

Pride-Paraden auch in anderen Städten

Nicht nur in Budapest, auch in vielen weiteren Städten wurden am Samstag Pride-Paraden gefeiert. In München sprach die Polizei von rund 20.000 Teilnehmenden und rund 230.000 Zuschauern. Zehntausende Menschen nahmen in mehreren italienischen Städten an Pride-Paraden teil. Auch in der französischen Hauptstadt Paris gingen tausende Menschen für die Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft auf die Straße. Die Abkürzung steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und queere Menschen.

(APA)

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