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Nach Frontalangriff: SPÖ rückt zu Verteidigung Faymanns aus

Rumoren in der SPÖ.
Rumoren in der SPÖ. ©EPA
Mit einem Frontalangriff auf Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat ein burgenländischer Regionalpolitiker die SPÖ-Spitze aus der Reserve gelockt. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos attackierten am Montagabend den SPÖ-Landesrat Peter Rezar, der Faymann die Schuld am mäßigen EU-Wahlergebnis gegeben hatte.

Rezar hatte im “Kurier” (Dienstagsausgabe) gesagt, an dem schlechten Abschneiden der SPÖ bei der Europawahl am Sonntag sei “in erster Linie sicher der Kanzler selbst” schuld. Dem SPÖ-Chef prophezeite Rezar “ärgste Probleme” beim Bundesparteitag, sollten bis Herbst die “roten Kernforderungen” im Steuerbereich (Vermögenssteuer, Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent) nicht “auf Schiene” sein. Gehe die ÖVP dabei nicht mit, solle Faymann die Koalition “platzen lassen”, empfahl der Landesrat. In diesem Zusammenhang schloss er auch eine Koalition mit der FPÖ nicht aus.

Der langjährige Landesrat, der innerhalb der SPÖ schon mehrmals wider den Stachel gelöckt hatte, erntete für seine Aussagen einen Proteststurm von SPÖ-Spitzenpolitikern. SPÖ-Vizechefin Prammer bezeichnete die Äußerungen ihres Parteifreundes als “vollkommen entbehrlich”. “Undifferenzierte Schuldzuweisungen sind die völlig falsche Reaktion auf das Ergebnis der EU-Wahl am vergangenen Sonntag”, kritisierte die Nationalratspräsidentin in einer Aussendung. Die Vorsitzende der Jungen Generation, Katharina Kucharowits, bezeichnete Rezars Aussagen als “unfassbar”.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos warf seinem Landsmann vor, sich auf Kosten der eigenen Partei in der Öffentlichkeit profilieren zu wollen. Dies sei “kein besonders guter Stil”. Er bezeichnete Rezars Aussagen als “Fehlanalysen, die in keinster Weise nachvollziehbar sind”. Die FPÖ habe “nach wie vor ein massives Problem damit, sich klar vom rechten Rand abzugrenzen”, sagte Darabos zu einer möglichen Koalition der Sozialdemokraten mit den Freiheitlichen. Es sei das Verdienst von Kanzler Faymann, dass die SPÖ “eine klare Haltung” zur FPÖ habe “und es gibt überhaupt keinen Grund, diesen Grundsatz über Bord zu werfen. Diese antifaschistische Position ist Konsens in unserer Bewegung”, unterstrich Darabos.

Kanzleramtsminister Ostermayer wies Rezars Aussagen ebenfalls zurück. Der Faymann-Vertraute sagte am Montagabend im ORF-“Report”, dass es gerade die FPÖ gewesen sei, die im Nationalrat einen Antrag zur Steuerreform nicht mitgetragen habe. Außerdem gebe es einen aufrechten Parteitagsbeschluss gegen die Zusammenarbeit der SPÖ mit der FPÖ. “Es ist entweder nicht nachgedacht worden, oder man hat bewusst etwas gesagt, um medial vorzukommen”, sagte Ostermayer an die Adresse seines burgenländischen Landsmanns.

Die SPÖ hatte bei der Europawahl ihr erklärtes Ziel, stimmenstärkste Partei zu werden, klar verfehlt. Diesbezügliche Hoffnungen knüpften sich insbesondere an die Kandidatur des bekannten Fernsehjournalisten Eugen Freund, der aber im Wahlkampf nicht besonders trittsicher war.

Der scheidende Europaabgeordnete Hannes Swoboda sagte in der “ZiB2”, es sei “vergossene Liebesmüh”, jetzt Überlegungen über die Kandidatur Freunds anzustellen. “Die Sache ist gelaufen, wie sie gelaufen ist”, sagte der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament. In Zukunft solle man die Arbeit der Europaabgeordneten ernster nehmen und sie stärker bekannt machen – “da muss man nicht immer nach jemand anderem suchen”, sagte Swoboda, der bei der Europawahl 1999 selbst einem Quereinsteiger – dem Journalisten Hans-Peter Martin – hatte Platz machen müssen.

Swoboda machte auch deutlich, was er von der Haltung seiner Partei in der Frage des künftigen österreichischen EU-Kommissars hält. Er sehe “absolut nicht ein”, dass immer die ÖVP den EU-Kommissar stellen müsse. “Ich hoffe, dass irgendwann einmal die SPÖ auch sagt: Und jetzt sind wir dran. Es kann nicht sein, dass das eine Erbpacht der österreichischen Volkspartei ist”, sagte Swoboda mit Blick auf die Tatsache, dass seit 1995 alle EU-Kommissare ÖVP-Mitglieder waren. Das nächste Mal “muss es ein Sozialdemokrat sein”, forderte der langjährige Europaabgeordnete. Minister Ostermayer hatte zuvor im “Report” gesagt, er sehe keinen Grund, den derzeitigen EU-Regionalkommissar Johannes Hahn (ÖVP) auszutauschen.

Verstimmung in der SPÖ nach zwölfter Wahlschlappe

Faymann hat in seinen sechs Jahren an der Spitze nicht recht viele Wahlsiege vorzuweisen. Die EU-Wahl war auch keiner – selbst wenn sie eine der nur zwei von 15 Bundes- und Landtagswahlen unter Faymann als Bundesparteichef war, wo die SPÖ (wenigstens ein wenig, um 0,4 Prozentpunkte) zulegte. Aber sie konnte sich den ersten Platz nicht zurückholen. Den verteidigte Faymann zwar bei der Nationalratswahl im September, die SPÖ fiel aber auf einen historischen Tiefststand. Ungetrübten Erfolg gab es in Faymanns Ära eigentlich nur einen: Die Kärntner Landtagswahl im März 2013 – wo die SPÖ von den Skandalen und Affären der Blauen profitierte und sich mit einem satten Plus den Landeshauptmannsessel zurückholte.

Bei den übrigen 13 Urnengängen (im Bund oder Ländern) gab es Verluste – und zwar teils drastische. In Salzburg wurde die SPÖ 2013 mit einem Minus von 15,6 Prozentpunkten und dem Verlust des LH-Sessel für den Finanzskandal bestraft, in Oberösterreich hatte sie schon 2009 13,4 Prozentpunkte verloren. Das schwächste Ergebnis überhaupt wurde im selben Jahr in Vorarlberg mit 10,02 Prozent erreicht – ein historischer Tiefstand ebenso wie bei den letzten Urnengängen in Salzburg, Niederösterreich, Tirol und Oberösterreich. Im Burgenland und in Wien gingen 2010 die letzten beiden Absoluten verloren.

Dort wird im nächsten Jahr ebenso gewählt wie in der Steiermark (und auch in Oberösterreich). Es stehen also drei rote Landeshauptleute – Hans Niessl, Michael Häupl und Franz Voves – am Prüfstand. Womit sich die Bundespartei (im Herbst steht der Parteitag mit Faymann-Wiederwahl an) auf weiteren Unfrieden in den eigenen Reihen einstellen kann. Zumal die EU-Wahl wenig Gutes verheißt: In allen drei Ländern fuhr die SPÖ ein Minus ein. Das deutlichste in der Steiermark, wo “Reformpartner” Voves harsch abgestraft wurde und die SPÖ auf Platz 3 hinter ÖVP und FPÖ landete. In Wien lief es für den Grünen Koalitionspartner weitaus besser als für die Sozialdemokraten, die fast einen Prozentpunkt einbüßten. Und auch das Burgenland, eigentlich rotes “Musterland” mit dem besten Landtags-Ergebnis, schmälerte diesmal das Gesamtergebnis durch ein Minus von 0,4 Punkten.

Vorarlberg, wo im Herbst gewählt wird, ist sowieso kein Hoffnungsland für die SPÖ. Die Frage dort ist nur mehr, ob sie unter zehn Prozent fällt. Bei der Landtagswahl 2009 und auch bei EU-Wahl ist es gerade noch gelungen, zweistellig zu bleiben.

Faymann: “Schlechte Ratschläge nehme ich nicht entgegen”

Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann hat die parteiinterne Kritik am Dienstag gelassen kommentiert: “Schlechte Ratschläge nehme ich nicht entgegen”, sagte er im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Roten Rufen nach einer baldigen Steuerreform antwortet er mit dem Hinweis auf den Entschließungsantrag in dieser Frage, der vergangene Woche im Nationalrat beschlossen wurde, und zwar mit Zeitplan.

Die harten Worte des burgenländischen Landesrats Peter Rezar, der unter anderem das EU-Wahlergebnis als ausschließlich vom Partei-Vorsitzenden verantwortet sieht, nimmt Faymann demonstrativ nicht ernst. “Wenn es unter 2.000 Mandataren wahrscheinlich mehr als einen gibt, der mir Ratschläge erteilt, dann nehme ich die guten auf.” Dass Rezar aber eine Zusammenarbeit mit der FPÖ in den Raum stellt, “halte ich für einen schlechten Ratschlag, und schlechte Ratschläge nehme ich nicht entgegen.”

Faymann findet aber auch, dass die Sache von den Medien hochgespielt wird und vermeint mitunter, “an einigen eine diebische Freude” zu bemerken, wenn eine interne kritische Stimme gefunden wird. “Falls einmal jemand beim Recherchieren Hilfe braucht, ich kann Ihnen so 10, 20 sagen, die nicht immer meiner Meinung sind”, versprach er den anwesenden Journalisten. Beim SPÖ-Präsidium am Montag habe man das Wahlergebnis jedenfalls “im Lichte von sehr positiven Einstellungen” erörtert.

Inhaltlich weist Faymann den Vorwurf mangelnder Durchsetzungsfähigkeit seiner Partei bei einer Reform des Steuersystems zurück. Schließlich hätten alle Parteien außer ausgerechnet der FPÖ vergangene Woche dem Entschließungsantrag zugestimmt, wonach mit Ende 2014 ein Bericht über die Ergebnisse der Steuerreformarbeitsgruppe vorzulegen ist. “Das halte ich für einen Fortschritt”, so der SPÖ-Vorsitzende. Dass die SPÖ auch gerne ein Inkrafttreten zumindest teilweise schon 2015 hätte, sei kein Geheimnis; dass man sich darauf mit der ÖVP noch nicht einigen konnte, auch nicht. “Das lässt sich zur Stunde nicht vereinbaren.” Man werde aber weiter die Linie verfolgen, “dass sie (die Steuerreform, Anm.) möglichst bald in Kraft treten soll”.

Noch hat die Steuerreformkommission indes ihre Arbeit nicht aufgenommen. Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) erklärte angesichts zumindest implizit geäußerter Vorwürfe aus der SPÖ, dass die Volkspartei hier verzögere, er “stehe genau zu dem Zeitplan”: “Das werden wir jetzt eintakten, und das wird erfolgen”, man werde “demnächst starten”. Es gehe darum, mit Experten zu erarbeiten, “wie wir einen großen Wurf machen können”, sagte er, betonte aber einmal mehr, dass es ohne Reformen wohl nicht gehen werde.

(APA)

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