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Nach Erdbeben werden Unruhen befürchtet

Nach dem Erdbeben mit mindestens 2.217 Toten nehmen die Algerier die Suche nach Opfern und die Aufräumarbeiten vielfach selbst in die Hand. Die von der Bevölkerung der Untätigkeit und Nachlässigkeit beschuldigte Regierung befürchtet nach französischen Presseberichten Unruhen in der verwüsteten Region. Teilweise wurden nach Beobachterangaben Sicherheitskräfte postiert.

Am Sonntag, vier Tage nach dem Beben, entdeckten Helfer überraschend noch zwei Kinder lebend unter Trümmern. Internationale Hilfslieferungen erreichten am Montag nach örtlichen Angaben auch entlegene Regionen.

Obwohl viele Helfer die Hoffnung fast aufgegeben hatten, konnten noch am Sonntag die zwei Mädchen aus den Trümmern gerettet werden. Die fünfjährige Camelia wurde nach Angaben der Rettungsmannschaften in Boumerdes aus den Schuttbergen einer Siedlung ausgegraben. Eine 13-Jährige konnte nach Berichten französischer Rundfunksender am späten Abend in Bordj Menaiel 80 Kilometer östlich von Algier befreit werden. Dieses verletzte Mädchen hatte sich von Kuchen ernährt, den es verkaufen wollte.

Hunderte Vermisste, die noch unter dem Schutt begraben liegen, sind wahrscheinlich tot. Über 9.000 Menschen wurden durch das Beben vom Mittwoch verletzt. Durch die Hitze stieg die Gefahr von Krankheiten weiter. Die Retter setzten die Arbeit mit Gesichtsmasken fort.

Hilfslieferungen aus 36 Ländern werden nach Angaben aus Algerien mittlerweile an die bedürftige Bevölkerung verteilt. Das Chaos der ersten Tage sei am Montag gewichen, die Verteilung gehe zunehmend organisiert vor sich. In den Tagen nach dem Beben waren Tausende Obdachlose in den entlegenen Regionen auf sich selbst gestellt gewesen und hatten notdürftig Unterkünfte und die Versorgung mit Wasser improvisiert.

Aufgebrachte Algerier hatten am Samstag in Boumerdes Präsident Abdelaziz Bouteflika beschimpft und seine Fahrzeugkolonne mit Steinen beworfen. „Die Hilfe kommt im wesentlichen von den Bürgern, nicht vom Staat“, berichtete der 50-jährige Hocine, der Bouteflika ausgepfiffen hatte. Überall werde Solidarität groß geschrieben. „Die Bevölkerung ist mit den Nerven am Ende. Die kleinste Sache kann das alles zu einer Explosion führen.“

Nach Berichten von Beobachtern in der Region ist bereits schwer bewaffnetes algerisches Militär – zum Teil mit Spezialausrüstung zur Bekämpfung von Krawallen – an großen Straßen postiert. In Zemmouri wurden Wasserwerfer aufgefahren.

Fünf Tage nach dem Erdbeben waren zu Wochenbeginn die Aussichten gering, noch weitere Opfer lebend zu bergen. Erste Rettungsmannschaften aus dem Ausland haben das Gebiet daher bereits wieder verlassen. Am Montag am frühen Morgen kamen auch 31 Helfer des Technischen Hilfswerks und des Deutschen Roten Kreuzes mit 13 Suchhunden wieder nach Deutschland zurück. Sie hatten seit Donnerstagnacht nach Überlebenden gesucht.

Die algerische Presse und Oppositionsparteien haben Bouteflika und die Staatsmacht scharf kritisiert. Der Ruf nach einem Rücktritt des Präsidenten wurde bereits laut. Im nächsten April stehen in dem Land Präsidentenwahlen an, bei denen Bouteflika wiedergewählt werden will.

Das Erdbeben hatte nach algerischen Angaben eine Stärke von 6,2 auf der Richterskala. Es war das verheerendste in der Region seit 1980. Das Epizentrum lag 70 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier. In der Region am Mittelmeer leben etwa 20 Millionen Menschen.

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