AA

Mutmaßlicher Mafia-Boss stand in Wien vor Gericht

Bei einem Prozess am Wiener Landesgericht stand am Donnerstag ein mutmaßlicher Mafia-Boss vor Gericht.
Bei einem Prozess am Wiener Landesgericht stand am Donnerstag ein mutmaßlicher Mafia-Boss vor Gericht. ©APA/STEFAN SOMWEBER
Für den Prozess gegen einen mutmaßlichen Mafia-Boss am Donnerstag in Wien waren strenge Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Spezialkräfte der Justizwache und der Verfassungsschutz waren anwesend.

Am Donnerstag am Wiener Landesgericht ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Mafia-Boss wegen schweren Raubes stattgefunden. Der Trakt vor dem Gerichtssaal wurde weiträumig abgesperrt und mit einem Fotografier- und Filmverbot belegt. Beim Angeklagten soll es sich um ein führendes Mitglied einer serbisch-montenegrinischen Mafia-Bande handeln, die in Österreich in großem Stil mit Suchtgift handelt.

Mutmaßlicher Mafia-Boss stand in Wien wegen Raubes vor Gericht

Laut Anklage hat der 34-Jährige mit sechs anderen Banden-Mitgliedern in einer Garage in der Bundeshauptstadt am 28. Dezember 2019 einer anderen Täter-Gruppe mit Gewalt 13 Kilogramm Kokain und 106.000 Euro abgenommen. "Das Ganze war ein perfekt inszeniertes Szenario", schilderte ein Ermittler dem Schöffensenat. Die Gruppierung des Angeklagten habe zum Schein vorgegeben, Kokain ankaufen zu wollen. Dafür seien eigens eine Lagerhalle angemietet und zwei Männer zum Übergabeort bestellt worden, wo der Angeklagte und seine Mittäter hinter aufgestellten Matratzen auf der Lauer lagen und dann mit brutaler Gewalt auf die anderen Männer losgingen, die zu Boden geschlagen und mit Füßen getreten wurden. Einem der beiden wurde ein Messer in den Rücken gestochen, der Mann wurde schwer verletzt.

Angeklagter: "Ich war nicht Teil dessen, was in der Anklage steht"

"Ich war nicht Teil dessen, was in der Anklage steht", meinte der angebliche Mafia-Boss, dessen Gruppierung laut Bundeskriminalamt in ganz Europa, womöglich sogar weltweit bekannt und neben Suchtgifthandel für brutale Delikte gegen Leib und Leben berüchtigt sein soll. Er bekenne sich "nicht schuldig", sagte der 34-Jährige. Verteidiger Werner Tomanek wies darauf hin, dass sein Mandant in Österreich unbescholten sei. Die Anklage bezeichnete der Anwalt als "Arbeitshypothese", die auf Chat-Protokollen eines Krypto-Dienstes beruhe. Sein Mandant werde von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und keine Fragen beantworten, kündigte Tomanek an.

34-Jähriger war in Serbien wegen Mord an einer Elfjährigen in Haft

Fest steht allerdings, dass der 34-Jährige in Serbien bereits wegen Mordes eine elfjährige Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dazu merkte der 34-Jährige knapp an: "Es ist unerhört, warum ich damals im Gefängnis sein musste." Danach gab es von seiner Seite keine weiteren Wortmeldungen mehr.

Gruppe in Wien soll große Drogen-Geschäfte durchgeführt haben

Wie die Staatsanwältin ausführte, war man dem Angeklagten und seiner Gruppierung auf die Spur gekommen, weil diese über den vermeintlich abhörsicheren Krypto-Messenger Dienst Sky ECC kommuniziert hatten. Die Chats seien über einen Server in Frankreich gelaufen, der in einer Länder übergreifenden Kooperation von Polizeibehörden in Belgien, den Niederlanden und Frankreich geknackt werden konnte. In weiterer Folge wurden die Chats entschlüsselt, was Ermittlungen gegen Kriminelle in zahlreichen europäischen Ländern zur Folge hatte - sie alle hatten sich Krypto-Messenger-Dienste bedient, um ihre Machenschaften abzuwickeln. Die Chats, die den 34-jährigen und seine Gruppierung betrafen, die laut Bundeskriminalamt in Wien in einer bisher nicht da gewesenen Dimension Drogen-Geschäfte abgewickelt haben soll, wurden über Europol den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt.

Kriminelle Organisation soll in Wien 200 Personen umfasst haben

Den Erkenntnissen des Bundeskriminalamts zur Folge umfasste die kriminelle Organisation allein in Wien 200 Personen. Für mehrere 100 Kilogramm Suchtgift soll sie in der Bundeshauptstadt Abnehmer gefunden haben. Im Februar 2020 rückte der 34-Jährige an die Spitze des Wiener Ablegers vor. Weil er davon ausging, dass er in einem abhörsicheren, unentschlüsselbaren Chat kommunizierte, hätten er und seine Banden-Mitglieder freier und offener als in herkömmlichen Chats gesprochen, berichtete die Staatsanwältin.

Begangene Straftaten regelmäßig mit Fotos in Chats dokumentiert

Die begangenen Straftaten wurden offenbar auch regelmäßig mit Fotos dokumentiert, die Bilder in Gruppenchats gestellt. In Bezug auf den inkriminierten Raubüberfall soll der 34-Jährige konkrete Anweisungen erteilt haben - während der Verhandlung wurden im Gerichtssaal Audio-Aufnahmen abgespielt, denn der Mann soll Audio-Nachrichten Textnachrichten vorgezogen haben. Die beraubten Männer wurden auch - noch am Boden liegend - fotografiert, weswegen das Bundeskriminalamt die beiden identifizieren konnte. Der niedergestochene Mann, der sich in ein Spital begeben und dort angegeben hatte, er sei von unbekannten Tätern attackiert worden, befindet sich mittlerweile in Zagreb in Haft. Er soll bis zum nächsten Verhandlungstermin von Kroatien ausgeliefert werden und dann als Zeuge aussagen.

Mutmaßlich überfallener Mann war bei Prozess als Zeuge geladen

Bereits als Zeuge geladen war der zweite mutmaßlich überfallene Mann, gegen die die Staatsanwaltschaft Wien wegen versuchten Sichtgifthandels ermittelt. Er bestritt, mit jener Person ident zu sein, deren Foto in dem vom Angeklagten geführten Gruppen-Chat gelandet war. Dass dort auch ein Foto seines Reisepasses aufschien, konnte er sich nicht erklären. Ihm sei sein Pass gestohlen worden. Er sei nicht überfallen worden, den Angeklagten sehe er zum ersten Mal: "Den Herrn kenne ich nicht."

Identität zweier Tatbeteiligter noch nicht geklärt

Von den weiteren am Raubüberfall beteiligten Tätern sind dem Bundeskriminalamt vier bekannt. Diese - sie stammen allesamt aus Serbien bzw. Montenegro - sind seit Juni bzw. August 2022 zur Festnahme ausgeschrieben. Die Identität der zwei weiteren Tatbeteiligten steht noch nicht fest. Der mutmaßliche Mafia-Boss sitzt bereits seit als eineinhalb Jahren in Wien in U-Haft - er wurde im Juni 2021 festgenommen.

Zur Einvernahme weiterer Zeugen wurde der Prozess vertagt. Die Verhandlung geht am 9. Dezember weiter.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Mutmaßlicher Mafia-Boss stand in Wien vor Gericht
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen