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Mutmaßliche IS-Jihadisten stehen in Graz vor Gericht

Einer der sieben Angeklagten ist bereits untergetaucht.
Einer der sieben Angeklagten ist bereits untergetaucht. ©APA: ROBERT PARIGGER
Sechs mutmaßliche IS-Anhänger standen am Montag in Graz vor Gericht, weil sie sich zu einer kriminellen Organisation zusammengeschlossen und den IS unterstützt haben sollen.

Im Grazer Straflandesgericht hat am Montag ein Prozess gegen sechs mutmaßliche Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) begonnen. Ihnen werden die Verbrechen terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation vorgeworfen, zum Teil auch staatsfeindliche Verbindung und Finanzierung einer Terrororganisation. Alle stehen in Verbindung mit einem muslimischen Linzer Glaubensverein.

Ein mutmaßlicher Jihadist untergetaucht

Von den sieben ursprünglich Beschuldigten ist einer mittlerweile untergetaucht, also saßen nur sechs streng bewachte Männer auf der Anklagebank. Dem Erstangeklagten wird vorgeworfen, in einem Glaubensverein, den er gegründet hat, junge Männer radikalisiert und für den IS angeworben zu haben. Der Staatsanwalt führte aus, wie sehr die radikalen islamischen Vereine in Wien, Graz und Linz miteinander verbunden seien und welche Bedeutung sie für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) haben. "Die Glaubensvereine sind Standort und Stützpunkt des IS in Österreich", betonte der Ankläger. Sie seien die "Zentren der Verbreitung dieser Ideologien". Bei dem Verfahren gehe es aber keineswegs um Religion, denn "die interessiert die Staatsanwaltschaft nicht, es geht um die politische Ideologie".

Der 47-jährige Hauptbeschuldigte war ein angesehener Prediger, der auch in Graz immer wieder zu Gast war. Er soll mehrere junge Männer als Kämpfer für den IS angeworben haben. Zwei von ihnen wurden in einem anderen Verfahren im Grazer Straflandesgericht verurteilt, weil sie als Kämpfer in Syrien terroristische Straftaten begangen hatten. Von anderen Angeworbenen, die zum Teil im Kampf für den IS gefallen sind, werden die Eltern als Zeugen gehört werden, "damit Sie sehen, welchem Elend die Familien ausgesetzt sind, wenn sie mit so radikalen Ideologien in Berührung kommen", meinte der Ankläger.

Keine Rede von "IS-Stützpunkt"

Anschließend waren die vier Verteidiger am Wort. Der erste Anwalt - er vertritt den Hauptangeklagten islamischen Prediger und einen weiteren Beschuldigten - betonte, seine Mandanten wären beide unschuldig und "nie aktiv geworden". Beim Linzer Glaubensverein könne von "IS-Stützpunkt" keine Rede sein, man habe sich nur mit den Familien zum Freitagsgebet und Freizeitaktivitäten am Sonntag getroffen.

"Ziehen Sie keinen Schluss aus dieser Hochsicherheitsumgebung, das sind keine Schwerkriminellen", appellierte der Verteidiger an die Geschworenen. Seine Mandanten seien beide unschuldig, der Prediger habe sich "immer gegen den IS ausgesprochen und nie jemanden radikalisiert oder angeworben". Auch habe der Linzer Verein "keine Vereinstätigkeit ausgeübt - das war nur auf dem Papier".

Scharfschützen in Syrien 200 Euro geschickt

Sein zweiter Mandant ist unter anderem angeklagt, weil er seinem Bruder, der Scharfschütze beim IS in Syrien war, 200 Euro geschickt hatte. "Er wusste nicht, was damit passiert, er hat geglaubt, es dient zur Finanzierung humanitärer Aktivitäten", meinte der Verteidiger. Dass der Angeklagte auch ein Zielfernrohr für ein Gewehr gekauft und seinem Bruder geschickt hatte, fand der Jurist auch nicht weiter verdächtig. Auch hier soll sein Mandant keine Ahnung gehabt haben, wofür dieser Gegenstand gedacht war. Nach Abschluss der Verteidiger-Plädoyers begann die Richterin am Nachmittag noch mit der Befragung des Hauptangeklagten. Er hatte einen Glaubensverein in Linz gegründet und soll dort junge Männer für die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) angeworben haben. Diese Vorwürfe bestritt der 47-Jährige, der jahrelang in Wiener Schulen seine Religion unterrichtet hatte.

"Alles, was hier passiert, erzeugt Angst, wenn von den Gräueltaten des IS die Rede ist", bemerkte ein Verteidiger in Hinblick auf das Plädoyer des Staatsanwalts. Seiner Meinung nach sei das deswegen, weil "die Substanz der Anklage erschreckend gering ist". Das seien "ganz normale Straftaten", bemühte sich der Anwalt zu relativieren. Der Ankläger bringe nur deshalb die Hinrichtungen und andere Schreckenstaten des IS zur Sprache, um eine "äußerst, äußerst dürre Anklage zu unterstützen". Im Übrigen sei er davon überzeugt, dass "jeder hier im Saal, der halbwegs zivilisiert ist, den IS ablehnt."

Nur ein "gottesbewusster" Muslim

"Würden Sie sich als strenggläubigen Muslim bezeichnen?", fragte die Richterin den Erstangeklagten. "Streng bedeutet für mich automatisch feindlich", wehrte der Befragte ab, er sei ein "gottesbewusster" Muslim. Den Linzer Glaubensverein gründete er selbst. "Wir waren acht bis zehn Familien", erzählte er. Man habe sich zum Freitagsgebet und später auch zum Unterricht am Sonntagvormittag getroffen. "Dann haben wir Tee getrunken und die Kinder haben gespielt", schilderte er eine friedliche Idylle. Der Staatsanwalt sah das anders und sprach vom Leid, das über jene Familien gekommen war, deren Söhne laut Anklage auf Anwerbung des Predigers hin zum IS gegangen waren.

Der Prozess wird am Dienstag um 9,00 Uhr mit der weiteren Befragung der Beschuldigten fortgesetzt.

(APA/red)

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