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"München" - Spielberg in Hochform

Am 5. September 1972 wurden bei einer Geiselnahme elf israelische Olympioniken in München getötet. Porträt | Chronik des "Schwarzen Dienstags"

Israel sann auf Rache und ließ in den folgenden Monaten und Jahren die Hintermänner des Massakers von Mossad-Agenten liquidieren. Soweit die Kurzfassung jener Geschichte, die einen Teil der Gewaltspirale zwischen Israelis und Palästinensern und gleichzeitig den Plot für den Thriller „München“ darstellt. Die Message des 154-minütigen Werks von US-Starregisseur Steven Spielberg, das am 27. Jänner in Österreich anläuft, ist einfach: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Aber das ist eigentlich schon recht viel.

Im Mittelpunkt des Films steht der israelische Rachefeldzug, für den der junge Geheimdienstmann Avner (Eric Bana) als Anführer ausgesucht wird. Für den glühenden Patrioten ist es selbstverständlich, den Auftrag anzunehmen, auch wenn seine Frau gerade schwanger ist und die Familie – wie in den meisten Spielberg-Filmen – als höchstes Gut präsentiert wird. Doch die „Olympische Tragödie“ und der dadurch ausgelöste Schrecken steckt noch ganz tief in den Köpfen, die ganze Handlung des Films wird in schnelle und sehr blutige Ausschnitte dieses Tages eingebettet.

Unterstützt wird Avner von Steve (Daniel Craig), Carl (Ciaran Hinds), Robert (Mathieu Kassovitz) und Hans (Hanns Zischler), einer internationalen „Spezialisten“-Gruppe. Nach und nach machen Avner und Co. die Drahtzieher des Geiseldramas ausfindig, elf Namen stehen auf der Liste der Gruppe, die die elf Toten von München rächen sollen. Doch so einfach funktioniert die Rechnung nicht, das macht Spielberg recht schnell klar. Auch die palästinensischen Männer sind Menschen, haben Frauen und Kinder und sind in den jeweiligen Städten, in denen sie ermordet werden, fix in ein soziales Netzwerk integriert. Und jedem Getöteten folgt ein weiterer Mann nach, der noch ein wenig zorniger ist und noch ein bisschen mehr Hass auf Israel in sich trägt.

Spielberg abstrahiert stark, lässt sich von historischen Ungenauigkeiten nicht beirren und wirft keine zu komplexen Fragen auf – das ist auch gar nicht nötig, schließlich ist „München“ kein Dokumentarfilm, sondern ein Thriller und soll demgemäß auch unterhalten. Dennoch beweist der „exponierteste Jude der US-Filmindustrie“, wie der amerikanische Kritiker Roger Ebert den Regisseur nannte, Mut, wenn er nicht nur die Gewaltakte der Palästinenser kritisiert, sondern auch die Vergeltungsaktionen der israelischen Seite in Frage stellt. „Der größte Feind ist die Unnachgiebigkeit“, sagte Spielberg dem Magazin „Time“. Diese Haltung hat dem zweifachen Oscar-Preisträger beim US-Start des Films große Kritik von beiden Seiten eingebracht.

Zugute halten muss man Spielberg seine Qualitäten als Regisseur. Auch wenn „München“ phasenweise zu lange ist und seine Spannung größtenteils aus dem palästinensischen Bodycount zieht, so vermag der Film dennoch oft zu faszinieren: Die Inszenierung ist gekonnt, die Action-Elemente bauen einen starken Sog auf, die Kameraführung ist immer wieder beeindruckend souverän. Auch die Schauspieler agieren überzeugend: Daniel Craig beweist, dass er als künftiger James Bond mit einer Waffe herumfuchteln kann, Geoffrey Rush spielt als Berater von Avner sehr stark, der Deutsche Moritz Bleibtreu amüsiert in einer kleinen Gastrolle.

Zentral ist die Wandlung von Protagonist Eric Bana vom Befehlen gehorchenden Patrioten zum zweifelnden und von Albträumen geplagten Familienvater. Sein anfängliches Abenteuer wird zur Tour de Force, die Erfahrungen und Verluste hinterlassen einen misstrauischen Mann, der die Ereignisse des so genannten „Schwarzen Dienstags“ nicht verarbeiten kann und durch seinen unerbittlichen Kampf seinen Feinden immer ähnlicher wird. Der zentrale Antrieb beider Seiten, ihr „homeland“ zu bewahren bzw. zu verteidigen, wirkt auch für ihn bald wie eine seltsame Rechtfertigung für die ganze Gewalt. Schließlich zieht sich Avner nach New York zurück und findet – natürlich – Ruhe im Schoß der Familie. Der abschließende Kameraschwenk auf die Twin Towers des World Trade Centers spricht jedoch dafür, dass Spielberg die Gefahr der unendlichen Terroristenjagd nicht nur für Israel sieht.

Viel Kritik, aber auch Lob

Einen „Thriller für den Frieden“ hat Steven Spielberg seinen neuen Film „München“ im Vorfeld des Kino-Starts öfters genannt. Dass der israelisch-palästinensische Konflikt jedoch ein äußerst heikles Thema für ein Action-Movie ist, wusste auch der US-Regisseur. Die Marketing-Maschine zum Filmstart wurde erheblich gedrosselt, um nicht schon zu früh von den politischen Mühlen zerrieben zu werden. Dennoch setzte es bereits heftige Kritik von allen Seiten – aber auch Lob für den Mut, heiße Eisen anzufassen.

Die Vorwürfe sind zahlreich und vielfältig: der Film sei „wirklichkeitsfremd“, verfälsche die Geschichte, sei „prätentiös und übertrieben“ und betreibe „Gleichmacherei“, sind nur einige davon, die vor allem aus konservativen jüdischen Kreisen in Israel und den USA sowie Sympathisanten in Leserbriefen und Internet-Blogs stammen. Der Film sei kein „Pamphlet“, er wolle keine „einfachen Antworten“ präsentieren, sagte Spielberg der englischen Zeitung „Daily Telegraph“. Über die Diskussion rund um den Film zeigte er sich froh, diese sei das höchste Gut in einer demokratischen Gesellschaft.

Dass er sich nicht gerade viele Freunde machen würde mit diesem Film, war Spielberg nach eigenen Angaben bewusst. Dass der jüdische Filmemacher von diversen Juden aber als „kein Freund Israels“ bezeichnet wurde, ist für ihn unverständlich. „Diejenigen, die keine Fragen stellen, sind nicht die besten Freunde eines Landes“, widersprach er. Wenn Künstler schweigen müssten anstatt Fragen aufzuwerfen, sei das erschreckend, sagte der Oscar-Preisträger im Interview mit dem Kritiker Roger Ebert. Der Regisseur bekam dafür auch durchaus Rückendeckung. Die „Los Angeles Times“ fragte, ob der Film nicht sogar die bessere Erklärung für die Gewalt im Nahen Osten biete als jene, die sagen, dass die Situation „zu komplex für eine Darstellung Hollywoods“ sei. Und der „San Francisco Chronicle“ schrieb, Spielberg habe „keinen Film zum Mögen“, sondern einen wichtigen Film gemacht. Dem stimmte auch Ebert zu, der das Engagement Spielbergs hervorhob. Nach „Schindlers Liste“ über den Holocaust bemüht sich der Regisseur mit „München“ nun um einen Ausgleich im Nahen Osten.

Dafür stellte der 58-Jährige die palästinensische und die israelische Gewalt auf die gleiche Stufe, was ihm die größte Kritik einbrachte. Sowohl Palästinenser als auch Israelis sterben „für einen Ort zum Leben“, heißt es im Film von beiden Seiten. Mit dem Vorwurf des „blinden Pazifismus“ wurde dies von konservativen Juden goutiert. Zudem hätten die Israelis insgesamt rund 18 militante Palästinenser umgebracht, nicht elf. Die Gleichstellung der Opferzahlen im Film schaffe eine „moralische Äquivalenz“. „Dieser Vorwurf kann nur von Leuten kommen, die sagen, dass Krieg die einzige Lösung ist“, erwiderte Spielberg darauf.

Er hatte im Vorfeld des Kino-Starts einen früheren Berater des israelischen Premiers Ariel Sharon als PR-Strategen verpflichtet, um vor allem das israelische Publikum zu gewinnen. Vor allem in Israel ist die Stimmung aber trotz aller Kritik dennoch eher positiv, gerät durch den Film das Massaker schließlich nicht in Vergessenheit – was vor allem den Angehörigen wichtig ist. Dem restlichen Publikum wird es hingegen mehr darum gehen, was die meisten US-Kritiker dem Film einhellig attestierten: „München“ sei vor allem ein „technisch und erzählerisch brillanter Film und absolut sehenswert“, wenn auch mit 154 Minuten vielleicht ein wenig zu lang. Für die Oscars dürfte Spielberg aber wieder einmal gute Chancen haben.

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