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Moslem-Studie wird zerrissen

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Experten für Soziologie zerreissen die von Innenministerin Prokop präsentierte Studie über die Moslemintegration. Sie kritisieren sowohl die Ergebnisse, den Autor als auch den Auftraggeber.

Die Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) hat die vom Innenministerium vorgelegte Studie über Moslems scharf kritisiert. Die so genannte Integrationsstudie weise „gröbste methodologische und technische Mängel auf und kann daher nicht beanspruchen, als wissenschaftliche Untersuchung zu gelten”, erklärte ÖGS-Präsident Christian Fleck am Mittwoch in einer Aussendung. Zweifel äußerte die ÖGS auch an der Befähigung des Studienautors.

Die Studie stelle „bestenfalls ein Konvolut dar, da sie weder sachlich noch formal den Ansprüchen entspricht, die an eine sozialwissenschaftliche Studie zu stellen sind”, kritisierte der Grazer Soziologieprofessor. Bemängelt wird unter anderem, dass im 52-seitigen Executive Summary „ungewöhnlicherweise” Ausführungen zu Themen enthalten seien, „die in den anderen Teilen des Berichts mit keinem Wort Erwähnung finden” – darunter jene Passagen, auf die sich Innenministerin Liese Prokop (V) schon vor Vorliegen der Studie in einem Interview bezogen und dafür teils scharfe Kritik geerntet hatte, weil ihre Aussagen im Papier nicht belegt waren. Prokop hatte von 45 Prozent „integrationsunwilligen” Moslems gesprochen, in der Studie kam hingegen der Begriff der „Integrationsunwilligkeit” nicht vor.

Scharf ins Gericht ging die Gesellschaft für Soziologie auch mit dem Autor der Studie. Der als Verfasser genannte Prof. Dr. Martin Rohe „ist uns nicht als jemand bekannt, der bislang durch sozialwissenschaftliche Veröffentlichungen hervorgetreten wäre”, hieß es in der Aussendung. Er möge ein guter Jurist und durch sein Magisterabschluss in Islamwissenschaften dazu qualifiziert sein, „islamische Rechtsquellen im Original zu lesen, für die Durchführung einer sozialwissenschaftlichen Studie, noch dazu zu einem derart brisanten Thema scheint uns das als Qualifikationsnachweis nicht zu genügen.”

Inhaltlich kritisierte die ÖGS, dass in der Studie nicht mitgeteilt werde, wer die „Umfrage(n) durchführte” und „die üblichen und für die Beurteilung der Qualität einer Umfrage notwendigen technischen Details” nicht aufgelistet seien. Es würden Angaben über Stichprobenverfahren (Zufallsauswahl aus welcher Grundgesamtheit), Rücklauf- bzw. Ausschöpfungsrate (wie viele Kontaktierte verweigerten die Teilnahme an der Befragung), sowie das Befragungsinstrument (Fragebogen) fehlen.

Da es kein Verzeichnis der Bosnier und Türken gebe, die in Wien und Umgebung wohnen, müsse man fast vermuten, dass die Auswahl der Befragten „anhand der Zuordnung von Familiennamen zu ethno-religiösen Gruppen erfolgte”, urteilte die ÖGS. In einer Fußnote finde sich der Hinweis, dass nicht zwischen österreichischen und nicht-österreichischen Staatsbürgern unterschieden wurde, was im Rahmen einer Integrationsstudie befremdlich wirke. Die Wissenschafter fragten sich schließlich, in welcher Sprache Interviews mit Personen gemacht wurden, „von denen die Studienautoren annahmen, dass sie möglicherweise integrationsunwillig sein können”.

Kritik übte die ÖGS auch an der Typenbildung in Religiös-Konservative (18 Prozent), Traditionell-Konservative (27), Moderat Liberale (31) und Säkularisierte (24) Moslems. Dem Bericht sei nicht zu entnehmen, „aufgrund welcher Merkmalsdimensionen diese Typen gebildet wurden, sodass die Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, dass es sich dabei um willkürliche Einteilungen handelt”.

Die ÖGS forderte von Prokop offen zu legen, „aufgrund welcher Umstände diese Studie in Auftrag gegeben wurde und dafür Sorge zu tragen, dass die oben festgehaltenen Leerstellen der Studie gefüllt werden”. Verlangt wurde weiters eine Entschuldigung für „die beleidigenden Äußerungen” von Prokops-Sprechers Johannes Rauch gegenüber „unserer Kollegin Barbara Herzog-Punzenberger”. Rauch hatte Kritik der Migrationsforscherin mit den Worten kommentiert „Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung”.

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