Mordversuch mit Stromkabel in Wien: Tochter berichtet von Martyrium

Laut Anklage soll der Vater von zehn Kindern seine Frau mit einem Stromstoß zu töten versucht haben. Darüber hinaus soll er über Jahre hinweg die 37-Jährige geschlagen, unterdrückt und eingeschüchtert haben, weswegen auch fortgesetzte Gewaltausübung angeklagt wurde. Die Frauen zeichneten ein brutales Bild von dem Angeklagten.
Angeklagter bestreitet Vorwürfe
Der Beschuldigte stellte weiterhin sämtliche Vorwürfe in Abrede. Laut dem psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann leidet der Mann an einer schweren Persönlichkeitsstörung, wobei er nach außen hin den freundlichen Familienvater gibt, aber über Jahre ein Schreckens- und Terrorregime geführt hat. "Wenn Sie das alles zusammenfassen, haben Sie es mit einem Sadisten zu tun", so Hofmann resümierend. Der Gutachter ist der Meinung, dass von dem Mann auch in Zukunft die Gefahr ausgeht, solche Taten wieder zu machen. Der Sachverständige sieht deshalb im Falle einer Verurteilung die Voraussetzung einer zusätzlichen Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher für erfüllt.
18-jährige Tochter berichtet von Schlägen und Mordversuch
Die 18-jährige Tochter des 42-jährigen Angeklagten erzählte, dass sie etwa ab einem Alter von vier Jahren mitbekommen habe, dass ihr Vater ihre Mutter schlagen würde. "Da hat er sie im Urlaub in Albanien von der Couch geschmissen. Da war ich im Schock", sagte die junge Frau. Alle paar Tage sei die Mutter geschlagen, mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen, an den Harren gezogen oder gewürgt worden, sagte die 18-Jährige. "Meine Mutter hat oft versucht, es ihm Recht zu machen, aber meinem Vater hat nichts gepasst." Es gab etwa Schläge fürs zu spät kommen oder wenn sie bei der Begegnung mit Männern nicht - wie von ihm verlangt - auf den Boden geblickt habe.
Mutter berichtet von Abhängigkeit und Angst
Die 37-Jährige hatte Angst zur Polizei zu gehen: "Was hätte es mir gebracht? Egal, wo wir sind, er findet uns", sagte sie im Zeugenstand. Bis vor drei Jahren hatte sie nicht einmal mit ihren Eltern Kontakt. Und auch denen vertraute sie sich nicht an, wie die Situation zu Hause war. "Ich hatte das Gefühl, ich hätte keine Chance." Der 42-Jährige habe stets gedroht, sie oder die Kinder umzubringen, wenn sie jemanden davon erzähle. Auch mit der Entführung eines Kindes drohte er. Sie sei von dem Mann, den sie im Alter von 14 Jahren kennenlernte, abhängig gewesen. Und mit zehn Kindern war sie auch nicht so flexibel, meinte sie.
Mit der Zeit soll der Mann laut seiner Tochter auch auf seine Kinder eingeprügelt haben. "Wir durften nie rausgehen", sagte die Tochter. Tür- und Fensterklinken wurden abmontiert, die Schlüssel abgenommen. "Wir haben unser ganzes Leben nur in der Schule oder zu Hause verbracht." Ihre Großeltern mütterlicherseits habe sie erst im Alter von 14 Jahren kennengelernt, weil der 42-Jährige aufgrund seiner Spielsucht diese um Geld bat.
Angeklagter verbrachte viel Zeit im Spielcasino
Regelmäßig fuhr der Mann in ein Spielcasino nach Tschechien und sperrte in dieser Zeit seine Familie in der Wohnung ein, um das Kindergeld oder das Lehrlingsgeld der Ältesten zu verspielen. "Wenn er vom Casino nach Hause gekommen ist und Geld verloren hat, hat es Schläge gegeben." Bei einer dieser Rückkehren versuchten die zehn Kinder und die Mutter, die Wohnungstür mit einer Kommode zu verstellen, damit der Vater nicht nach Hause kommen konnte. "Weil wir Angst vor ihm hatten". Weil der Vater aber versprochen hatte, sich zu bessern, ließ ihn die Frau wieder herein. Er sei sehr manipulativ gewesen, meinte die 37-Jährige, am Ende habe man das Gefühl gehabt, man sei selbst schuld.
Stromkabel eines Wasserkochers abgeschnitten und versucht Ehefrau umzubringen
Der Mann soll im Jahr 2008 bzw. 2009 nach einer Meinungsverschiedenheit mit seiner Frau den Mordversuch laut Anklage unternommen haben, indem er das Kabel eines Wasserkochers abgeschnitten habe und damit ins Badezimmer gegangen sei, wo die Frau gerade geduscht hatte. Das intakte Ende des Kabels soll er in die Steckdose gesteckt und die Adern mit den Leitern des anderen Endes an die nasse Haut der Frau gehalten haben. Das Glück war, dass der Schutzschalter gefallen ist, wodurch der Anschlag keinen tödlichen Ausgang genommen hat.
Dabei ging es um einen Streit, weil die Schwester der 37-Jährigen die Adresse der Familie herausgefunden habe und das ihrem Mann nicht gepasst habe. "Ich habe ihm danach gesagt, du hättest mich umbringen können", sagte die Frau. Da habe der 42-Jährige nur gelacht.
Diesen Vorfall hat auch die älteste Tochter am Rande mitbekommen. "Ich bin im Wohnzimmer gesessen und der Vater in der Küche." Die Mutter habe geduscht. Dann sei der 42-Jährige mit einem abgeschnittenen Kabel in das Badezimmer. "Sie hat angefangen zu schreien, dann war ein Knall und ich habe gehört, wir jemand umgefallen ist." Abends habe dann die Frau ihrer Tochter berichtet, was passiert sei.
37-Jährige flüchtete mit 10 Kindern ins Frauenhaus
Die 37-Jährige war im Vorjahr zur Polizei gegangen, nachdem sie mit ihren zehn Kindern ins Frauenhaus geflüchtet war. Ausschlaggebend war, dass die zweitälteste Tochter einer Vertrauenslehrerin heimlich einen Brief geschrieben und sich die älteste Tochter einer Arbeitskollegin anvertraut hätte. Die 37-Jährige berichtete dann bei der Polizei von einem "Ehemartyrium" und erstattete Anzeige gegen ihren Mann, den sie im Alter von 14 gegen den Willen ihrer Eltern geheiratet hatte. Der 42-Jährige wurde festgenommen, nachdem einige seiner Kinder die von der Frau geschilderten Gewalttätigkeiten zeugenschaftlich bestätigt hatten. Der Vater sitzt seit August 2021 in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft.
Der Prozess wurde Dienstagabend zur Befragung weiterer Zeugen vertagt. Die nächste Verhandlung findet am 29. September statt.
(APA/Red)