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Mordserie von Krankenpfleger: 24 weitere Verdachtsfälle

Niels H. sitzt bereits lebenslänglich
Niels H. sitzt bereits lebenslänglich
Bei ihren Ermittlungen zur Mordserie des früheren Krankenpflegers Niels H. sind die Ermittler bisher auf 24 weitere Verdachtsfälle gestoßen. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch im niedersächsischen Oldenburg in einem Zwischenbericht zu den seit längerem laufenden Exhumierungen mit.


Bei 24 Patienten sei der Wirkstoff des von H. verwendeten Medikaments nachgewiesen worden, obwohl diese damit nicht behandelt worden seien, erklärten die Ermittler nach der Exhumierung und toxikologischen Untersuchung sterblicher Überreste von 77 Menschen. Die Ergebnisse der Tests an weiteren sieben exhumierten Patienten stünden derzeit noch aus.

Der unter anderem bereits wegen zweifachen Mords und insgesamt drei Mordversuchen an schwerkranken Intensivpatienten zu lebenslanger Haft verurteilte Mann hatte während seines Prozesses im vergangenen Jahr ausgesagt, nach eigener Erinnerung zwischen 2003 und 2005 in einer Delmenhorster Klinik insgesamt etwa 30 Patienten getötet zu haben.

2005 war er bei einer verdächtigen Injektion von einer Kollegin beobachtet und kurz darauf festgenommen worden. Seitdem sitzt er in Haft, inzwischen wurde er in zwei separaten Prozessen verurteilt. Seit Bekanntwerden der Dimensionen prüft eine Sonderkommission aus Staatsanwaltschaft und Polizei namens “Soko Kardio” alle Sterbefälle während dessen Dienstzeit in verschiedenen Einrichtungen.

Dabei durchforsten die Ermittler alte Krankenakten nach möglichen Hinweisen und exhumieren alle nicht feuerbestatteten verstorbenen Patienten aus den fraglichen Zeiträumen. Ihren Angaben nach geht es um mehr als 200 Fälle. Die systematischen Untersuchungen begannen im vergangenen Jahr und sollen noch viele Monate dauern.

Dem Ergebnis der bisherigen Prozesse und seinen eigenen Aussagen nach spritzte H. Dutzenden Patienten auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst heimlich ein hochwirksames Herzmittel, um bei ihnen lebensbedrohliche Zustände herbeizuführen und sie dann wiederzubeleben. H. zufolge starben insgesamt etwa 30 Menschen bei dieser Prozedur. Weitere Taten an anderen Arbeitsstellen gab es nach dessen Angaben nicht.

Die genauen Motive hinter der Verbrechensserie des früheren Krankenpflegers blieben bisher unklar. Die Richter des Oldenburger Landgerichts, die H. im Februar 2015 unter anderem wegen zweifachen Mords verurteilten, kamen zu der Einschätzung, dass H. durch Wiederbelebungen vor Kollegen “glänzen” und sich einen “Kick” verschaffen wollte. Sie sprachen von Taten, in denen eine angstmachende “Unmenschlichkeit” zum Ausdruck komme.

Wegen der erst spät eingeleiteten systematischen Nachforschungen in dem Fall gerieten auch die Ermittlungsbehörden in die Kritik. Ein früher dafür zuständiger ehemaliger Staatsanwaltschaft wurde zwischenzeitlich unter anderem wegen Strafvereitlung angeklagt. Gerichte lehnten einen Prozess aber mangels ausreichenden Tatverdachts ab.

Die Vorwürfe aus dieser Anklage zielten dabei eher darauf ab, dass der kurz vor seinem Wechsel auf einen anderen Posten stehende Staatsanwalt umfangreiche Ermittlungen wegen der damit verbundenen Arbeitsbelastung für sich und seine Abteilung hinausgezögert haben könnte. Es ging dabei nicht darum, dass dieser die Mordserie verschleiern wollte.

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