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Monsterverfahren gegen mutmaßlichen Rotlichtboss Richard St.: Das war Tag 1

Der angeklagte mutmaßliche Rotlichtboss Richard St. am Wiener Landesgericht
Der angeklagte mutmaßliche Rotlichtboss Richard St. am Wiener Landesgericht ©APA
Montagfrüh ist im Wiener Landesgericht ein regelrechtes Monsterverfahren eröffnet worden. Der mutmaßliche Rotlichtboss Richard St. und fünf Mitangeklagte müssen sich wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Freiheitsentziehung, schwerer Nötigung, Erpressung, teils versuchter, teils vollendeter absichtlicher schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung und betrügerischer Krida verantworten. Das mediale Interesse zu Prozessbeginn war enorm.
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Erdei hat die Verhandlung vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Stefan Erdei), die nicht zuletzt wegen der zum größten Teil nicht geständigen Verantwortung der Beschuldigten ein langwieriges Indizienverfahren werden dürfte, zunächst auf 43 Verhandlungstage bis Mitte August anberaumt. So lange werden der mutmaßliche Rotlichtboss Richard St. und die Mitangeklagten vor Gericht stehen.

Umfangreiche Anklage gegen Rotlichtboss

Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella zählte kurz die Anklagepunkte gegen den mutmaßlichen Rotlichtboss auf: Dass Richard St. und die anderen Beschuldigten mit abgesondert Verfolgten eine kriminelle Vereinigung gebildet hätten, und dies mit dem Ziel, erheblichen finanziellen Einfluss auf Rotlicht- und andere Lokale der Szene am Wiener Gürtel auszuüben. Dazu seien Straftaten gesetzt worden, wie schwere Nötigung, absichtliche schwere Körperverletzung und Sachbeschädigung. Betrieben seien teilweise auch Gelder entzogen und selbst verbraucht worden.

Kerbl-Cortella erklärte den Schöffen schließlich, wie die Staatsanwaltschaft überhaupt dazu komme, diese Anklage zu eröffnen: Einerseits basiere sie auf “Aussagen von Zeugen, die samt und sonders aus dem Druck des Milieus nur sehr zögerlich ausgesagt haben”. Dazu habe es Telefonüberwachungen und einen Großen Lauschangriff “im Büro des Pour Platin (Rotlichtlokal am Gürtel, Anm.) gegeben, der Zentrale, in der die Geschäftsangelegenheiten der Firma abgewickelt wurden”, so die Anklagevertreterin.

Kritik an Anklage gegen Richard St.

Kritik kam von der Verteidigung: Der Anwalt von Richard St., Christian Werner, der auch den hünenhaften Zweitangeklagten Peter A. sowie den Viertangeklagten Dusko R. vertritt, sprach von einem “eigenen Programm bei den Ermittlungen”: Peter A. sei verprügelt worden, der sieben oder achtjährige Sohn eines anderen Mitangeklagten mit einer Pistole einvernommen worden, die Ermittler seien mit Gewalt in Lokale eingedrungen, obwohl man ihnen die Schlüssel für die Lokale angeboten habe. “Polizeiarbeit wird normal anders geführt”, erklärte der Strafverteidiger.

Werner zerpflückte auch die einzelnen Punkte: Der Vorwurf einer kriminellen Organisation bedinge nach gängiger Rechtsprechung die Beteiligung von mindestens zehn Personen. “Sechs sitzen da.” Der Anwalt stieß sich auch an der Formulierung in der Anklageschrift, dass die Organisation während “noch festzustellender Zeiträume” aktiv gewesen sei. “Warum war es nicht möglich, in vier Jahren Ermittlung festzustellen, wann die kriminelle Organisation aktiv war? Und für mich schließt sich die Frage an: “Ob?” Der Vorwurf stehe auf “wackligen Beinen”, seine Mandanten würden wie beim Tierschützerprozess freizusprechen sein. Im übrigen kündigte Werner an, gegen den Sachverständigen Gerhard Altenberger einen Befangenheitsantrag zu stellen, der vom Anwalt des Drittangeklagten Leo B. unterstützt wurde.

Hauptangeklagter: Keine Schutzgelderpressung

Ähnlich Herbert Wabnegg, Verteidiger des Fünftangeklagten Christian R.. Er übte heftige Kritik: “Mein Mandant sitzt nur hier wegen seiner Bekanntschaft mit dem Herrn St.. Ich muss ehrlich sagen, dieser Prozess dient nur als Rechtfertigung für den Aufwand, der hier getrieben wurde.” Seinem Mandanten werde ein Delikt vorgeworfen, das zu einem Zeitpunkt begangen wurde, als dieser in Haft gesessen sei. Anwalt Robert Lattermann, Verteidiger des Letztangeklagten Andreas B., erklärte wiederum, dass sein Klient zum Tatzeitpunkt einer schweren Körperverletzung gegen eine Frau, an der er beteiligt gewesen sein soll, in Rumänien einen Unfall verursacht habe.

Richard St. selbst erklärte am Nachmittag, nichts mit Schutzgelderpressungen zu tun zu haben. Ja, es stimme, dass Lokale im Umfeld des Wiener Gürtels Gelder bezahlt hätten. Bis zu 20 seien es in den besten Zeiten gewesen, 200 bis 700 Euro hätten die Beiträge pro Monat ausgemacht. Aber es seien freiwillige Ausgaben für eine gemeinsame Security gewesen, nicht zuletzt, weil Albaner und Russen für Wirbel gesorgt hätten.

“Ich war immer gegen Gewalt”

“Wir hatten keinen Schuss, keinen Stich, keinen Brand, keine Tote”, schilderte der mutmaßliche Rotlichtboss Richard St. die “Goldene Zeit” des “Nokia-Club” genannten Systems. Alle hätten sich eine Goldene Nase verdient. “Ich war aber Idealist”, meinte er. Und wer nicht mehr gezahlt hat? “Dort sind wir nicht mehr hingegangen.” Er selbst sei “immer gegen Gewalt” gewesen.

Am Dienstag wird die Einvernahme des Hauptangeklagte um 9.30 Uhr im Saal 203 des Wiener Landesgerichts fortgesetzt.

(apa/red)

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