Mit einer neuen Therapie kann vielen Betroffenen und ihren Partnerinnen zu einem befriedigenden Sexualleben verholfen werden, hieß es am Mittwoch beim europäischen Urologenkongress in Stockholm.
“Es ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn, es ist eine sexuelle Dysfunktion. Das Problem ist aber relativ groß. Etwa 30 Prozent der Männer kommen innerhalb von zwei Minuten nach der Penetration zum Samenerguss. Das zieht sich durch alle Altersgruppen und führt zur Frustration des Mannes genauso wie zur Frustration der Partnerin”, erklärte der Salzburger Urologe Andreas Jungwirth im Gespräch mit der APA. Wissenschaftliche Studien deuten auf eine Häufigkeit dieser sexuellen Fehlfunktion – je nach Altersgruppe – zwischen 18 und 25 Prozent hin.
Der Orgasmus des Mannes mit dem Samenerguss erfolgt beim Sex in einem Zusammenspiel zwischen Nervenzentren im Rückenmark und im Gehirn. Im Gehirn liegt die Kontrolle. Stefan Arver, Urologe von der Karolinska-Universitätsklinik: “Man definiert PE als Samenerguss schon vor oder innerhalb einer Minute nach der vaginalen Penetration. Der Mann hat darüber keine Kontrolle – und schließlich muss diese Dysfunktion für die Partner als belastend und frustrierend empfunden werden.”
Bisher gab es dafür kein wirksames Therapiekonzept. Jungwirth: “Zu mir kommen vor allem jüngere Männer mit diesem Problem, die schon zwei, drei oder vier Partnerinnen deshalb verloren haben.” Verhaltenstherapie, anästhesierende Gels und andere Mittel zeigten kaum Erfolg. Arver: “Die an PE leidenden Männer machen sich vor, sie würden einfach zu stark auf sexuelle Reize reagieren.” Oft versuchen Betroffene sogar durch den Griff zum Alkohol vor dem Sex ihre Reaktionszeiten zu verlängern, was ein Irrweg ist.
Zufallsbeobachtungen in der Behandlung von Männern mit Depressionen durch die Gabe von sogenannten Serotonin-Wiederaufnehme-Hemmern (SSRIs), welche die Konzentration des Hormons im Gehirn steigern, wiesen schließlich einen Weg zu einer nun zugelassenen wirksamen Therapie. Der Salzburger Urologe: “Männer unter SSRI-Behandlung berichteten von verzögertem Samenerguss oder sogar der Unfähigkeit zum Orgasmus zu kommen.” Man versuchte deshalb eine Behandlung mit langsam und lang wirksamen derartigen Antidepressiva – mit geringem Erfolg und hohen Nebenwirkungsraten.
Das Ergebnis der Bemühungen um eine wirksame Therapie ist jetzt die Zulassung des kurz wirksamen Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmers Dapoxetine (“Priligy”/Janssen-Cilag) durch die Arzneimittelbehörden. Die Substanz erhöht die Serotonin-Konzentration im Gehirn schon nach rund einer Stunde und wird danach sehr schnell ausgeschieden. Jungwirth: “Man nimmt eine Tablette ein bis drei Stunden vor dem Sex. Ich habe im Rahmen der internationalen Phase-III-Studie auf Wirksamkeit mit insgesamt rund 1.600 Teilnehmern 14 Patienten in Salzburg damit behandelt. Die Partnerinnen mussten dabei während des Geschlechtsverkehrs mit der Stoppuhr die Zeit zwischen der Penetration und der Ejakulation des Partners messen.”
Im Durchschnitt verdreifachte sich unter der Therapie die Dauer des vaginalen Sex. Der Urologe: “Das ging von zehn bis 20 Sekunden am Anfang auf bis zu fünf Minuten. Im Durchschnitt waren es um die drei Minuten. Für die Patienten sind das ‘Lichtjahre’.” Untersuchungen haben ergeben, dass 70 Prozent der Männer normalerweise binnen drei bis fünf Minuten nach der Penetration zur Ejakulation kommen. Jungwirth erwartet, dass mit der Möglichkeit einer einfachen Behandlung – bis auf leichte Übelkeit wurden kaum Nebenwirkungen registriert – auch die PE aus der Tabuzone herauskommt.