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"Mit Wahlmanipulation haben wir gerechnet"

Politologe Hüysein Cicek bei "Vorarlberg LIVE" über die Türkei-Wahl.
Politologe Hüysein Cicek bei "Vorarlberg LIVE" über die Türkei-Wahl. ©APA; VOL.AT; Canva
Wahlprognosen hätten das Ergebnis schon im Vorhinein erwartbar gemacht, sagt der Politikwissenschaftler Hüseyin Cicek über die Präsidentenwahl in der Türkei am vergangenen Wochenende.

„Natürlich waren manche enttäuscht, aber in den Berichten, die ich gelesen habe, hatte immer [Präsident Recep Tayyip, Anm.] Erdogan die Nase knapp vorne.“ Er erreichte schlussendlich 52 Prozent der Stimmen.

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Erdogans Gegenkandidat in der Stichwahl, Kemal Kilicdaroglu, der rund 48 Prozent holte, sei zudem nicht die erste Wahl der Opposition gewesen: "Bis zur Stichwahl hat er außerdem eine rechtsstaatliche und inklusive Politik betrieben, erst danach hat er nationalistische Töne angeschlagen, hat behauptet, dass er Syrer nach Hause schicken will und auf Identitätspolitik umgesattelt." Das sei einer der Gründe für die Niederlage gewesen, sagt Cicek.

Außerdem hätte es durchaus bessere Kandidaten für die Opposition gegeben: "Ich glaube, dass Kilicdaroglu ein Stück weit aus politischem Ehrgeiz den Weg nicht frei machen wollte und sich die Oppositionsparteien in Blick auf die nahende Wahl für ihn entschieden haben."

Krisengebeutelte Amtszeit

Außerdem habe sich das Narrativ "Ein Volk, eine Nation, ein Führer" so sehr bewährt, dass Erdogan auch eine galoppierende Inflationsrate und das verheerende Erdbeben in der Türkei, weswegen immer wieder sein Krisenmanagement kritisiert wurde, nicht ins Straucheln bringen konnte: "Außerdem hat Erdogan versprochen, mehr in der Sicherheitspolitik zu machen, für seine Wähler waren solche Themen einfach wichtig", sagt Cicek.

Die ganze Sendung

Bei der Wahl hätten auch die türkischen Staatsbürger im Ausland eine wichtige Rolle gespielt, dass in der Schweiz Kilicdaroglu in Führung lag, während es in Österreich Erdogan war, erklärt Hüseyin Cicek mit der Einwanderung von kurdischen und türkischen Intellektuellen in die Schweiz in den 1980er-Jahren: "In Österreich und Deutschland haben wir eine größere Anzahl an Türken, die wegen der Arbeitsmigration gekommen sind."

Kein fairer Wahlkampf?

Der innerstaatliche Wahlkampf sei zudem nicht fair gewesen: "Mit Wahlmanipulation haben wir gerechnet. Natürlich hat die AKP alles versucht, um die Wahl den Oppositionsparteien so gut wie möglich zu erschweren." Dazu würden etwa Oppositionelle gehören, die im Gefängnis landeten: "Die AKP hat natürlich nicht mit sauberen Mitteln gekämpft", sagt Cicek.

Wirtschaftlichen Probleme in den Griff bekommen

Nun gelte es für Erdogan, sich der EU und den USA zu nähern, auch um die wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Um die Auslandshilfe in Anspruch nehmen zu können, könnte er außerdem eine andere Position gegenüber Russland einnehmen. Und danach "kann er weiter gegen politische Opponenten und Journalisten vorgehen".

Die Sendung "Vorarlberg LIVE" ist eine Kooperation von VOL.AT, VN.at, Ländle TV und VOL.AT TV und wird von Montag bis Freitag, ab 17 Uhr, ausgestrahlt. Mehr dazu gibt's hier.

(VOL.AT)

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