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Mit schnarrender Stimme gegen EU-Skandale

Wenn Hans-Peter Martin im EU-Parlament mit schnarrender Stimme das Wort ergreift, ist oft für Streit gesorgt. Seit seinem Einzug ins Europaparlament 1999 reitet der "glühende Proeuropäer", selbst ernannte "Aufdecker" und Kämpfer gegen Brüsseler Sumpf immer wieder harte Attacken gegen politische Gegner, ehemalige Weggefährten, die EU-Parlamentsverwaltung oder die EU-Betrugsbekämpfer.

2004 hatte Martin mit dem Finger auf Skandale im fernen Straßburg gezeigt und damit bei der EU-Wahl in Österreich 14 Prozent der Wähler überzeugt. Diesmal prophezeien ihm Meinungsumfragen deutlich weniger Zustimmung.

Dabei genießt Martin nach wie vor die Unterstützung der “Kronen Zeitung”, in der er als Gastkommentator “Millionen-Privilegienskandale” anprangert, wie zuletzt den umstrittenen Zusatzpensionsfonds der Europaabgeordneten. Im EU-Parlament zeigte Martin immer wieder Missstände auf, sei es das Abkassieren von Taggeldern, Abrechnungen und die allgemeine Verschwendung in der Gebarung.

Während diese Themen bei den Wählern in Österreich gut ankamen, machte sich Martin in Straßburg und Brüssel sehr unbeliebt, als er anfing, aus vertraulichen Gesprächen am Gang zu zitieren und mit versteckter Kamera aufgenommene Bilder zu veröffentlichen. “Das sind Methoden der Gestapo”, sagte unlängst der EU-Abgeordnete des flämischen Vlaams Belang, Koenraad Dille, als der Österreicher auf eigene Faust Kollegen, die den EU-Pensionsfonds nutzen, “outete”.

Der gebürtige Vorarlberger und frühere Südamerika-Korrespondent des “Spiegel” wurde 1999 vom damaligen Bundeskanzler und SPÖ-Chef Viktor Klima zum SPÖ-Spitzenkandidaten auserkoren. Nach jahrelangen Spannungen wurde der von Anfang an “parteifreie” Ex-Journalist 2004 von der sozialdemokratischen SPE-Fraktion ausgeschlossen. Während Martin ein “Kesseltreiben” der SPE wahrnahm, fühlten sich EU-Abgeordnete von ihm eingeschüchtert und “bedrängt”. Wenige Monate später holte Martin mit einer eigenen Liste bei der EU-Wahl zwei Mandate. Mit seiner damaligen Listenzweiten, der früheren ORF-Journalistin Karin Resetarits, kam es schon bald zum Bruch nach einem Streit um finanzielle Fragen. Resetarits wechselte zu den Liberalen. Einen jahrelangen Rechtsstreit um die teilweise Rückforderung seiner 1,5 Mio. Euro Wahlkampf-Fördermittel gewann Martin 2008.

Trotz seiner Erfolge im EU-Parlament konnte Martin in der österreichischen Innenpolitik nicht Fuß fassen. 2006 verfehlte er mit seiner Liste den Einzug in den österreichischen Nationalrat, 2008 verzichtete er auf eine Kandidatur. Dafür schmiedete er immer wieder Allianzen im Ausland – im Vorfeld der irischen Abstimmung über den EU-Reformvertrag unterstützte er etwa den EU-Kritiker und Multimillionär Declan Ganley. Bei der bevorstehenden Europawahl wollte Martin trotzdem nicht gemeinsame Sache mit Ganley und seiner EU-kritischen Partei “Libertas” machen.

Vor zwei Jahren stand der Aufdecker selbst nach Vorwürfen der Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF im Zusammenhang mit der Verwendung seiner Sekretariatszulage am Pranger. Das Europaparlament forderte von Martin 163.381 Euro und 54 Cent zurück. Martin bestritt “angebliche Formfehler”, beklagte eine “politische Intrige” und reichte Klage beim EU-Gerichtshof auf Rückzahlung ein. Ein Urteil ist noch ausständig. In Österreich wurde ein Strafverfahren gegen Martin 2007 eingestellt, die Staatsanwaltschaft Wien fand keine Beweise für unrechtmäßigen Bezug.

Martin wurde 11. August 1957 in Bregenz, Vorarlberg, geboren. Er studierte Rechts- und Politikwissenschaften in Wien. Ab 1986 war er außenpolitischer Redakteur beim deutschen Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” in Hamburg. Von 1989 bis 1991 war er Korrespondent für Südamerika mit Sitz in Rio de Janeiro. Dann leitete er das “Spiegel”-Büro in Wien. Neben dem Bestseller “Die Globalisierungsfalle” publizierte er “Nachtschicht – eine Betriebsreportage” sowie als Co-Autor “Gesunde Geschäfte”, “Kursbuch Gesundheit” und “Bittere Pillen”. Martin ist in zweiter Ehe verheiratet, aus erster Ehe hat er einen Sohn.

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