Manchmal, wenn sich die letzten Sonnenstrahlen in seine Hütte stehlen, ehe die Weihnachtsbeleuchtung den Markt in der Bregenzer Oberstadt vollends in ihr gelblich-warmes Licht taucht, dann sieht sein Gesicht aus wie jenes Holz, das er zum Schnitzen braucht: Engjährig, also nicht zu schnell gewachsen, und ehrwürdig alt. Josef Kohler nimmt nur Zirbe aus Tirol unters Messer. Aber auch, wenn der Holzklotz gut in der Hand liegt, garantiert das noch nicht den späteren Erfolg. Ein Holzschnitzer braucht eben einen guten Kachelofen, wies ihm die Stimme seiner Lehrer im Lechtal den Weg aller missratenen Werkstücke.
Vorstellungskraft vonnöten
Und was braucht ein Schnitzer sonst noch? Ein guter Zeichner muss er sein. Kohler hat schon als Kind gern gezeichnet. Das ist eine Gabe. Lernen kann man das nicht. Sein 75-jähriger Schöpfer fasst einen Hirten an der hölzernen Hutkrempe und hebt ihn hoch. Wenn er etwas schnitzen will, trägt er das Bild schon im Kopf. Einfache Bilder sind das. Kohler ist ein rauer Schnitzer. Er setzt das Messer nicht gar so fein an. Und wo nimmt er die Vorlagen her? Vom Kalender zum Beispiel. Am allerliebsten aber setzt er Tiere in Szene. Josef Kohler ist schließlich Landwirt in Schwarzenberg. Mit 20 Stück Vieh im Stall, eigenem Weidegrund und einem tüchtigen Sohn, der den Hof übernommen hat. Jetzt bin ich der Knecht, lacht der Vater, der vor 20 Jahren einen schweren Unfall erlitten hat. Beim Holzen geschahs. Ein Holzblock hat mich überrollt. Mit zehn Brüchen lag er drei Wochen lang im Koma. Der Arzt hat damals gesagt, wenn ich nicht so ein Holzkopf wäre … Allein sechs Brüche am Schädel, das überlebt keiner so leicht. Aber Kohler ist aus hartem Holz geschnitzt, und seine Tochter ist Therapeutin. Die nahm den Dädda bald zur Seite und sagte eindringlich: Du musst was tun! Damit er beschäftigt bleibt. Damit das Hirn was zum Kiefeln hat. So kam er zum Schnitzen.
Abstrakt eher weniger
Er macht das gern. Anders als die Jungen, wo man nicht mehr erkennt, was das eigentlich sein soll. Abstrakte Kunst ist nicht so sein Ding. Das muss es auch nicht. Ihm bereitet das Schnitzen einfach Genugtuung. Seine Erzeugnisse bietet er nun schon zum neunten Mal in der Bregenzer Oberstadt feil. Und so einfach wie seine Kunst sind die Beweggründe der Käufer: Eine Krippe ohne Figuren, das ist doch nix, bestätigt eine junge Frau und steckt Josef und Maria, Ochs und Esel in die Einkaufstasche, und das Jesukindlein legt sie eine Spur behutsamer oben drauf.