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Misshandlung: Freispruch im Zweifel

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Der Richter überlegte nach dem Plädoyer minutenlang. Dann sprach er die 29-jährige fünffache Mutter, die vor ihm saß, frei. Offenkundig mit gehörigem Bauchweh.

“Ich habe Ihnen nicht geglaubt, das sag’ ich Ihnen gleich”, meinte er. Die junge Frau saß wegen zehn Jahre zurückliegender angeblicher Misshandlungen auf der Anklagebank im Wiener Landesgericht.

Von Sommer 1997 bis Jänner 1998 soll sie ihre erste Tochter, die damals ein Säugling war, wiederholt geschlagen, gezwickt und ins Gitterbett fallen gelassen haben.

Das Kind soll dabei unter anderem einen Rippenbruch und einem Oberarmbruch davongetragen haben. Die Vorwürfe kamen erst jetzt zur Verhandlung, da die Frau mit ihrem Mann zuerst nach Deutschland, dann nach Frankreich ging und dort jahrelang lebte. Er saß übrigens nicht auf der Anklagebank, sollte aber in der Urteilsbegründung des Richters eine große Rolle spielen.

Widersprüche

Im März 1998 wurde die damals 19-Jährige, erneut schwanger, von der Polizei festgenommen. Ihre Tochter war zu diesem Zeitpunkt bereits bei Pflegeeltern. In ihrer Einvernahme damals gab sie zunächst einen Teil der Vorwürfe zu. Heute sagte sie dem Richter, den Oberarmbruch habe sich ihre Tochter zugezogen, weil sie auf Glatteis ausgerutscht und gestürzt sei. Ihre Angaben damals habe sie gemacht, weil sie sich unter Druck gesetzt gefühlt habe. Bei ihrer Festnahme sei sie von ihrem Lebensgefährten sofort getrennt worden, außerdem habe man ihr mit Untersuchungshaft gedroht. Sie habe gar nicht mit einem Einschreiten der Polizei gerechnet.

“Mir als Richter ist es lieber, die Polizei schreitet sofort ein, wenn massive Verletzungen festgestellt worden sind, als es passiert etwas”, beschied ihr daraufhin der Einzelrichter. In diesem Zusammenhang verwies er auf den Fall Luca.

Das medizinische Gutachten untermauerte die früheren Aussagen der jungen Frau bei der Polizei. Ihre zweite Tochter wurde adoptiert, sie zieht aber mittlerweile drei Söhne groß.

Gewalt

“Ich bin überzeugt, dass dem Kind Gewalt angetan wurde in einem Ausmaß, dass über jedes Maß erzieherischen Verhaltens hinausgegangen ist”, sagte Jilke in seiner Urteilsbegründung. Er sehe aber nicht die für einen Richter notwendige Sicherheit für eine Verurteilung. Denn: “Ich bin nicht sicher, ob Sie damit nicht ihren Gatten gedeckt haben”, so der Richter. Die Erfahrung in den Gerichtssälen habe ein Übriges getan. “Ich weiß auch, dass es in den seltensten Fällen die Mütter sind, die ihre Kinder misshandeln”, so der Richter.

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