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Missbrauch durch Wiener Arzt: "Arzt als Täter schockiert, aber keine Überraschung"

Ein Wiener Mediziner sitzt in Oberösterreich in Untersuchungshaft, weil er einen Buben missbraucht und kinderpornografische Fotos gemacht haben soll. "Dass sich ein Arzt an einem Kind vergeht, schockiert natürlich, weil diese Berufsgruppe ein hohes Ansehen in der Bevölkerung genießt", sagte am Freitag die Leiterin des Kinderschutzzentrums "möwe" in Mödling, Renate Hochgerner. "Mich als Professionistin überrascht das allerdings nicht."
Missbrauchsverdacht: Arzt verhaftet

Ärzten und Pädagogen vertrauen die Menschen, man denkt, dass Kinder bei diesen in guten Händen sind. Entsprechend entsetzt reagiert die Bevölkerung auf Berichte über Missbrauch durch diese Berufsgruppe. “Das kann doch nicht sein”, sei ein erster Gedanke. Aber Missbrauch passiert in einem Machtgefälle, erklärte Renate Hochgerner. “Vertrauensverhältnisse werden ausgenutzt. Kinder sind immer abhängig.”

Rund 80 Prozent der Vorfälle finden in einem Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Täter statt, sexueller Missbrauch durch Fremde sei der Ausnahmefall. Zu mehr als 90 Prozent sind die Täter männlich. “Das ‘Warum?’ ist eine große Frage”, meinte die Psychotherapeutin. Die größte Opfergruppe sind Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren (46 Prozent aller missbrauchten Kinder im Jahr 2009). 

“Kinder glauben, Erwachsene haben immer recht”

Je jünger die Opfer sind, desto schwerer fällt es ihnen, die Taten zu kommunizieren. “Sie sind sprachlich weniger in der Lage, sich auszudrücken.” Scham, Angst und Schuldgefühle legen sich wie eine Mauer um die Psyche des Opfers. Kinder würden es viel mehr als gegeben ansehen, dass die Erwachsenen immer recht haben. Und sie lassen sich mit den “typischen Täterstrategien” leichter manipulieren, so Renate Hochgerner. Dazu gehören Einschüchterungen wie “das ist unser Geheimnis”, “du bist etwas Besonderes” oder “das darfst du niemandem verraten”. Schuldgefühle entstehen, weil der Täter das Vorgefallene auf das Kind schiebt.

2009 seien 512 Fälle von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Buben angezeigt worden. Die Dunkelziffer soll jedoch laut Experten um ein Vielfaches höher sein. Internationale Studien gehen von fünf bis zwölf Prozent an Betroffenen in der Bevölkerung aus, wie auch eine Umfrage der “möwe” im Jahr 2009 zeigte.

Missbrauchsopfer brauchen oft Jahre, um die Vorfälle – u.a. mit professioneller Hilfe – zu verarbeiten. Wurde ein Fall aufgedeckt, gilt es zunächst zu klären, wie sicher das soziale Umfeld des Kindes ist und ob eine normale Entwicklung weitergehen kann, erläuterte Hochgerner. Die Folgeschäden können gravierend, eine langjährige Psychotherapie notwendig sein.

(apa)

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