"Mir rinnt's kalt den Rücken runter" - Gewessler will raus aus russischem Gas

Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) räumte in der ZiB 2 ein, dass sie die Verträge der OMV mit Gazprom selber noch nicht gesehen habe. Auch sie müsse sich an die Gesetze halten, die OMV sei eine Aktiengesellschaft, so Gewessler.
Klar sei aber, dass man raus aus den Verträgen wolle, und dabei seien alle gefordert, die OMV, die ÖBAG und das Finanzministerium: "Wir müssen raus aus diesem Vertrag, wir müssen raus aus russischen Gaslieferungen, wir müssen raus aus dieser Erpressbarkeit."
Schwierige Abhängigkeit vom Russen-Gas
"Mir rinnt's kalt den Rücken runter"
"Mir rinnt's kalt über den Rücken runter, wenn ich mir vorstelle, mit unseren Gasrechnungen schicken wir Geld nach Russland, das mithilft, diese Bomben zu zahlen", meint Ministerin Gewessler, und präsentiert in der ZIB 2 ein Stück einer russischen Bombe, die in der Ukraine abgeworfen worden sein soll.
"Nichtstun halte ich für fahrlässig"
Auf die Frage, warum anderen Staaten ein Ausstieg gelinge, Österreich aber nicht, antwortet Gewessler: "Das ist ein untragbarer Zustand". "Die Abhängigkeit wird von Worten nicht weniger", so die Ministerin weshalb sie diesbezüglich auf eine gesetzliche Gasdiversifizierungspflicht setze, die die Energieversorger anhält, nicht-russisches Gas einzukaufen. Ihr Ministerium werde das Gesetz vorlegen, es seien alle eingeladen, dabei mitzustimmen. Dafür sei eine Zweidrittelmehrheit nötig. "Das wird jetzt die Nagelprobe für alle, die sagen, ja ich will raus. Nichtstun halte ich für fahrlässig", so Gewessler.
Das ganze Gewessler Interview
Gewesslers drei Maßnahmen
Gewessler hat bereits drei Maßnahmen vorgelegt, um die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren:
Gesetzliche Verpflichtungen - Diversifizierungsverpflichtung: Österreichische Gasanbieter sollen eine Reduzierung von russischen Gas-Importen belegen müssen. Zusätzlich zur Nennung einer Alternative falls der Hauptanbieter ausfallen sollte.
Ausstieg aus dem OMV-Vertrag: Ein ausstieg aus den langfristigen OMV-Verträgen mit Russland muss vorbereitet werden. Das sei im Sinne der Versorgungssicherheit und ökonomisch vernünftig, so die Ministerin, damit Russland sein Gas nicht als Druckmittel einsetzen könne. Das Klimaschutzministerium wird Analysen bezüglich der Gefahren einer Gasabhängigkeit und Auswirkungen der angestrebten Vertragskündigungen in Auftrag geben.
Neue Sicherheitsstrategie: Außerdem brauche Österreich eine neue Sicherheitsstrategie, zu der auch die Energieversorgung gehört. Ein Konzept des Energieministeriums liege bereits vor, notwendige Verhandlungen mit den betroffenen Akteuren sollen schnellstmöglich beginnen.
Meinl-Reisinger drängt auf Sicherheitsstrategie und Gasausstieg
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat am Sonntag abermals auf die Verabschiedung einer neuen Sicherheitsstrategie und den Ausstieg aus russischem Gas gedrängt. Bei letzterem müsse die Regierung endlich die Gaslieferverträge zwischen der OMV und der russischen Gazprom "auf den Tisch legen", verlangte Meinl-Reisinger in der ORF-"Pressestunde". Zudem brauche es ein Gesetz, dass die Grundlage für den Ausstieg aus den Verträgen schafft.
"In Österreich zahlen die Menschen für das Gas viermal mehr so viel wie in anderen Ländern", argumentierte die NEOS-Chefin, die eine "Verpflichtung der Regierung" sieht, "hier Klarheit zu schaffen, was im Vertrag drinnen steht". Dass die OMV die Verträge nicht kündigt, sei "nachvollziehbar", dass es aber die Regierung nicht mache, hingegen nicht. Risiko für die Endkunden bei einem Ausstieg sieht Meinl-Reisinger nicht.
Für einen "Skandal" hält es die NEOS-Chefin, dass nach wie vor keine Sicherheitsdoktrin am Tisch liege. Denn sämtliche Beschaffungen des Bundesheeres würden ohne diese planlos verlaufen. "Wir zäumen das Pferd von hinten." Die geplante Teilnahme Österreichs am europäischen Luftverteidigungssystem Sky Shield hält sie "für richtig".
"Offen und ehrlich" will Meinl-Reisinger auch über die Neutralität diskutieren. Diese habe sich durch den Beitritt zur EU bereits verändert. "Wir sind zum Beistand verpflichtet." Es brauche eine ordentliche Sicherheitsstrategie, die im Parlament verhandelt wird - auch mit der FPÖ. Geht es nach den NEOS sollten auch Bürger und Bürgerinnen an dem Prozess beteiligt werden, etwa in einem Bürgerrat. "Es ist nur ehrlich zu sagen, dass wir eine Debatte darüber führen müssen, was wir darunter verstehen."
SPÖ-Kritik an Gewessler
SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll kritisierte am Sonntag in einer Aussendung ebenfalls die unzureichenden Maßnahmen der Regierung zur Verringerung der Abhängigkeit von russischem Gas und forderte entschiedene Schritte. "Es ist inakzeptabel, dass Ministerin Gewessler (Leonore, Anm.) erst jetzt, nach zwei Jahren des Ukraine-Konflikts, Maßnahmen ergreift."
(VOL.AT/APA)