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Minsk: Polizei löst Demonstration auf

Das autoritäre Regime Weißrusslands hat nach Tagen stillschweigender Duldung den oppositionellen Protesten gegen die Präsidentenwahl am Freitag schließlich ein Ende gemacht.

Polizisten stürmen in den frühen Morgenstunden das Zeltlager der Opposition in Minsk, die 200 bis 300 dort ausharrenden Demonstranten wurden festgenommen. Die EU droht den Verantwortlichen wegen des unregelmäßigen Verlaufs der Wahl mit Sanktionen.

Vor der Polizeiaktion hatten sich die Demonstranten geweigert, der Aufforderung der Sicherheitskräfte Folge zu leisten, den Platz zu verlassen. Seit Sonntag harrten sie bei Minusgraden in Zelten aus. In den frühen Morgenstunden umringten Dutzende Polizisten – ausgerüstet mit Helmen und Schlagstöcken – die Demonstranten. Sie luden die Menschen schließlich auf Lastwagen und fuhren sie in ein Untersuchungsgefängnis. Etwa zehn Demonstranten wurden gewaltsam entfernt. Die Aktion verlief aber größtenteils friedlich. Der Einsatzleiter forderte seine Kollegen mehrmals über Lautsprecher auf, keine übermäßige Gewalt anzuwenden.

Der bei der Präsidentenwahl am Sonntag unterlegene Oppositionskandidat Alexander Milinkewitsch erklärte in einer ersten Stellungnahme: „Die Behörden zerstören Freiheit, Wahrheit und Gerechtigkeit.“ Die gewaltsame Auflösung des Zeltlagers zeige „das Wesen des Regimes, das sich in Weißrussland etabliert hat“. Er lobte die Demonstranten in dem Zeltlager für ihren Mut: „Sie haben sich von ihren Knien erhoben, und mit ihnen ist ganz Weißrussland aufgestanden.“ Die Opposition will ihre Proteste aber dennoch fortsetzen. Die für Samstag angekündigte Großkundgebung gegen Präsident Lukaschenko solle stattfinden, hieß es.

Unter den Festgenommenen sei auch der frühere polnische Botschafter Marjusz Maszkewicz, sagte Milinkewitsch. Der polnische Konsul Krzysztof Swiderek bestätigte, dass Polen festgehalten würden. Die Behörden gäben aber keine näheren Informationen, sagte er.

Einer der Demonstranten, der 21-jährige Nikolai Iljin, sagte, die Protestteilnehmer seien in ein Gefängnis in Minsk gebracht worden. Viele hätten zwei Stunden lang in Socken im Schnee stehen müssen. „Wir mussten uns mit erhobenen Händen gegen eine Mauer stellen. Wer seinen Kopf bewegte oder etwas sagte, wurde in die Nieren geschlagen“, sagte Iljin. Er sei bewusstlos geworden und in ein Krankenhaus gebracht worden, von wo er geflohen sei.

In dem Entwurf einer Erklärung, den die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Frühjahrsgipfel in Brüssel am Freitag formulierten, verlangte die EU außerdem die unverzügliche Freilassung von „Personen, die verhaftet wurden, weil sie ihre politischen Rechte ausgeübt haben“. „Der Europäische Rat ruft die belarussischen Behörden eindringlich dazu auf, der belarussischen Bevölkerung die Ausübung ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu gestatten.“

In dem Entwurf hieß es, der Europäische Rat sei entschlossen, in enger Abstimmung mit internationalen Partnern, insbesondere den USA, „restriktive Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die politisch und administrativ für die Verletzungen internationaler Wahlstandards verantwortlich sind“.

Auch die USA kritisierten das Vorgehen der Polizei. Washington verurteile alle Schritte der weißrussischen Regierung, den Bürgern ihr Recht auf friedliche Meinungsäußerung zu nehmen, erklärte Außenamtssprecherin Janelle Hironimus in Washington.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow dagegen kritisierte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) scharf für ihre Wahlbeobachtung. „Lange vor den Wahlen in Weißrussland hat die OSZE angekündigt, dass die Wahlen nicht rechtmäßig ablaufen würden und hat auf eine eher verzerrende Art und Weise über Verlauf und Ergebnis berichtet und somit eine aufrührerische Rolle gespielt“, sagte Lawrow.

Vor Schnellgericht gestellt

Nach der gewaltsamen Beendigung der Proteste in der weißrussischen Hauptstadt Minsk haben die Behörden die festgenommenen Demonstranten am Freitag dem Haftrichter vorgeführt. Vom Untersuchungsgefängnis im Südwesten der Stadt seien drei Omnibusse mit Inhaftierten zu mehreren Gerichten in der Stadt gefahren, meldete die Agentur Interfax.

Nach Angaben der Stadtverwaltung sind in der Nacht insgesamt etwa 100 Regimegegner in Polizeigewahrsam genommen worden. Augenzeugen hatten in der Nacht berichtet, dass die Polizei etwa 200 Anhänger der demokratischen Kräfte im Zeltlager auf dem Oktoberplatz in Minsk festgenommen habe. In den vergangenen Tagen hatten Minsker Gerichte Oppositionelle wegen der Teilnahme an offiziell nicht genehmigten Kundgebungen zu maximal 15 Tagen Gefängnis verurteilt.

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