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Milosevic-Leichnam nach Serbien überstellt

Der Leichnam des früheren serbischen und jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic ist am Mittwochnachmittag nach langen Diskussionen in Belgrad eingetroffen.

Auf dem Rollfeld parkte das dunkle Fahrzeug eines privaten Bestattungsunternehmens, daneben standen Mitglieder von Milosevics Sozialistischer Partei mit einem Kranz aus roten Rosen, dem Parteisymbol. Sie hüllten den Sarg in die serbische Flagge ein und küssten ihn.

Der Verstorbene soll am Samstag in seiner Heimatstadt Pozarevac (80 Kilometer südöstlich von Belgrad) beigesetzt werden. Für Donnerstag und Freitag ist eine Aufbahrung der Leiche in einem Zelt vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad geplant. „Sie sollen es wagen, dieses Zelt abzureißen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Sozialisten, Zoran Andjelkovic, herausfordernd an die Adresse der Regierung gerichtet. Die Partei, die für die Vorbereitungen ein Bestattungskomitee gebildet hat, hatte ein Staatsbegräbnis für ihren früheren Präsidenten auf einem Heldenfriedhof in Belgrad gefordert. Dies wurde jedoch abgelehnt.

Die ultranationalistische Serbische Radikale Partei appellierte an alle früheren Polizisten und Offiziere, in feierlichen Uniformen zur Beisetzung zu erscheinen, damit Milosevic wenigstens auf diese Weise der gebührende Respekt zuteil werde. Zuvor soll der Leichnam am Samstagmittag auch noch im Rathaus von Pozarevac aufgebahrt werden. Die 50 Kilometer südöstlich von Belgrad gelegene Industriestadt ist eine Hochburg der Milosevic-Anhänger. Am Mittwoch begann man dort bereits mit Verschönerungsarbeiten am Stadtbild. „Wir erwarten Gäste aus ganz Serbien“, sagte der örtliche Sozialistenchef Miomir Ilic.

Milosevics Witwe Mirjana Markovic will nach Angaben eines russischen Abgeordneten nicht an der Beisetzung teilnehmen. Es sei ungeheuerlich, dass die Führung von Serbien-Montenegro ihr keine Sicherheitsgarantien gegeben habe, sagte der nationalistische Politiker Sergej Baburin im Fernsehen. Ein serbisches Gericht hatte am Dienstag zwar den Haftbefehl gegen die wegen Machtmissbrauchs gesuchte Markovic ausgesetzt, jedoch erklärt, bei der Einreise werde ihr Pass eingezogen. Milosevics Sohn Marko, der in Den Haag den Leichnam seines Vaters abgeholt hatte, flog zunächst nach Moskau, sollte aber später nach Belgrad kommen, hieß es. Er muss nach Darstellung des serbischen Innenministers Dragan Jocic anders als seine Mutter die Strafverfolgungsbehörden nicht fürchten.

Das Unterhaus des russischen Parlaments, die Duma, machte in einer einstimmig verabschiedeten Erklärung den Haager Gerichtshof für den Tod Milosevics verantwortlich und fordert die baldige Abschaffung des Tribunals. Das Gericht habe dem am Samstag an einem Herzinfarkt gestorbenen 64-Jährigen keine angemessene medizinische Versorgung zukommen lassen. Dies sei eine schwere Menschenrechtsverletzung. Das UNO-Tribunal müsse die laufenden Verfahren rasch zu Ende bringen und sollte keine neuen Aktivitäten aufnehmen, hieß es weiter. Kommunisten in St. Petersburg stellten indes den Antrag, eine Straße nach Milosevic zu benennen.

Russische Ärzte kritisierten „grobe Fehler“ ihrer niederländischen Kollegen bei der Behandlung von Milosevic. Er hätte durch eine Operation gerettet werden können, sagte der russische Herzspezialist Leo Bokerija nach Angaben der Nachrichtenagentur Itar-Tass. Bokerija und mehrere russische Ärzte hatten sich am Vortag mit den Ergebnissen der Autopsie des an einem Herzinfarkt gestorbenen Gefangenen des Tribunals vertraut gemacht.

Das Tribunal erklärte am Mittwoch, es erwäge, Dokumente zum Fall Milosevic freizugeben, darunter auch Informationen zum Gesundheitszustand und der Behandlung des Ex-Präsidenten. Es gibt Spekulationen über ein Medikament, das Milosevic ohne ärztliche Anordnung eingenommen hatte. Dem früheren serbischen und jugoslawischen Präsidenten wurden insgesamt 66 Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo in den 90er Jahren zur Last gelegt.

NATO-Truppen durchsuchten unterdessen im Norden Bosniens am Mittwoch das Haus und die Geschäftsräume eines Mannes, der unter Verdacht steht, dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic bei der Flucht geholfen zu haben. UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte hatte nach dem Tod Milosevics erklärt, nun habe Ergreifung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Karadzic und Ratko Mladic höchste Priorität.

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