VfgH-Urteil: Rückzahlungen für zigtausende Mieter möglich?

Mit seiner aktuellen Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Freitag für eine juristische Zäsur im österreichischen Mietrecht gesorgt. Konkret geht es um Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, die in vielen Fällen unzulässig seien – vor allem, wenn nicht ausdrücklich festgelegt wurde, dass in den ersten zwei Monaten nach Vertragsabschluss keine Mieterhöhung erfolgen darf. Das Urteil baut auf einer bereits 2023 getroffenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auf.
Rückforderungen über Jahrzehnte möglich
Das Potenzial für Rückforderungen ist enorm: Laut Rechtsexperten könnten sämtliche Mietanpassungen der letzten 30 Jahre für Hunderttausende betroffene Mieter ungültig sein. Im Extremfall würde das bedeuten, dass Mietzinse auf dem Stand von vor 20 oder 25 Jahren einzufrieren wären – auch für die Zukunft. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären gravierend. "Das hat enorme Auswirkungen auf den Immobilienwert", sagte Zivilrechtsprofessor Martin Spitzer gegenüber Ö1. "Niemand erwartet, dass Leistungen heute noch zum Preis von vor Jahrzehnten erhältlich sind."
Verbraucherschützer fordern Prüfung
Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Obfrau des Verbraucherschutzvereins, empfiehlt allen Mieterinnen und Mietern, ihre Verträge überprüfen zu lassen. Besonders betroffen seien jene, die bei großen gewerblichen Vermietern – darunter auch die Stadt Wien – unter Vertrag stehen. Der Verein hat bereits mit der Sammlung konkreter Fälle begonnen.
Immobilienwirtschaft warnt, Politik plant Gesetzesreparatur
Innerhalb der Immobilienbranche wächst der Druck auf die Politik. Anton Holzapfel vom Verband der Immobilienwirtschaft fordert im Gespräch mit Ö1 rechtliche Klarheit. Die Bundesregierung plant laut Regierungsprogramm eine gesetzliche Änderung: Künftig sollen Rückforderungen nur noch für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren möglich sein – nicht mehr für mehrere Jahrzehnte rückwirkend.
(VOL.AT)