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Messer in Brust gerammt: Acht Monate bedingt

Die Tat liegt bereits dreieinhalb Jahre zurück.
Die Tat liegt bereits dreieinhalb Jahre zurück. ©pixabay.com (Sujet)
Vor dreieinhalb Jahren soll eine Frau ihrem Ex-Freund in Wien ein Messer in die Brust gerammt haben. Am heutigen Freitag wurde sie zu acht Monaten bedingt verurteilt.

Im Prozess um eine dreieinhalb Jahre zurückliegende Bluttat in Wien haben die Geschworenen am Freitagabend Notwehrüberschreitung geltend gemacht. Die Frau wurde zu acht Monaten bedingt verurteilt und sofort enthaftet. Sie soll 2016 im Streit ihrem Ex-Freund ein Messer in die Brust gerammt und dabei den Herzbeutel verletzt haben soll. Der 33-Jährige überlebte knapp. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Notwehrüberschreitung: Acht Monate bedingt

Die Beschuldigte nahm das Urteil an, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Die Geschworenen bejahten zwar mit 7:1 die an sie gestellte Frage nach versuchtem Mord, machten jedoch Notwehrüberschreitung geltend. Sie billigten der Frau zu, zur Abwehr des gegen sie gerichteten Angriffs zum Messer gegriffen und dabei das gerechtfertigte Maß an Notwehr überschritten zu haben. Die Notwehrüberschreitung wurde als grob fahrlässige schwere Körperverletzung qualifiziert.

Prozess: Opfer schützte Angeklagte

Beim Prozess erhielt die 30-Jährige ausgerechnet vom Opfer Schützenhilfe. Denn der Tathergang wurde von den Beteiligten ursprünglich unterschiedlich erzählt. Während das Opfer kurz nach dem Vorfall zunächst gar keine Anzeige machen wollte, um die 30-Jährige nicht zu belasten, entschied es sich zwei Tage danach doch, die Polizei über die Geschehnisse zu informieren. Der 33-Jährige berichtete, er sei von der Frau im Zuge eines Streits ohne Vorwarnung in seinem Stiegenhaus mit einem mitgebrachten Messer attackiert und lebensgefährlich verletzt worden.

Die 30-Jährige hingegen sprach durchgängig von Notwehr, wie auch ihr Anwalt Andreas Strobl ausführte. Der Messerstich soll sich nicht am Gang, sondern in der Küche zugetragen haben. Weil sie bei der Auseinandersetzung so laut schrie, hielt ihr der Ex Mund und Nase zu. In Panik, keine Luft mehr zu bekommen, schnappte sie sich ein Küchenmesser und stach zu. Bei der Verhandlung änderte der 33-jährige Angegriffene jedoch seine Angaben und gab zu, die Frau in der Küche "stark gepackt" zu haben.

Beziehung war von handgreiflichen Streitereien geplagt

Das Paar lernte sich 2013 kennen und führte eine On-Off-Beziehung, die laut der Aussage der Frau auch von handgreiflichen Streitereien geprägt war. Am 23. Februar 2016 waren die beiden eigentlich getrennt, doch der 33-Jährige war krank, sie kochte Suppe für ihn und fuhr anschließend wieder nach Hause. Für den Abend war ausgemacht, dass die 30-Jährige wieder zu ihrem Ex-Freund kommen sollte. Als sie in seinem Gemeindebau ankam und anläutete, machte ihr keiner auf. Weil es schon öfter vorgekommen war, dass sie vor verschlossenen Türen warten musste, war sie verärgert.

Mit einer anderen Mieterin, die gerade das Tor zum Gemeindebau aufsperrte, gelangte sie in den Innenhof. Sie kletterte zum Fenster des 33-Jährigen, der im Erdgeschoß wohnte, und sah, wie dieser seelenruhig mit einem Freund im Fernsehen Fußball schaute. Sie begann zu schreien und zu toben, warum er ihr denn nicht aufmachen würde.

Opfer bemerkte Verletzung vorerst nicht

Der 33-Jährige berichtete zunächst - auf seine Aussagen stützte sich auch die Anklage - die Frau sei dann durchs Fenster in die Wohnung geklettert. Sie schrie ihren Ex lauthals an, sodass der 33-Jährige die Frau auf den Gang bugsierte. Dort soll sie ihm mit dem mitgebrachten Messer in die Brust gestochen haben.

Dass der Mann dabei eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen hatte, bekam er zunächst nicht mit. Er entdeckte zwar einen Blutfleck am T-Shirt, doch in der Annahme, es handelte sich nur um einen Kratzer, schickte er seinen Freund weg, damit er die Differenzen mit seiner Ex-Freundin klären könne. Beim Gespräch sei er dann zusammengebrochen und ins Spital gebracht worden. Laut Gerichtsmediziner Christian Reiter wurde durch den Stich die Herzkammer angeschnitten, wodurch 400 Milliliter Blut in den Herzbeutel floss und das Herz in seiner Ausdehnungsfähigkeit behindert habe.

Beschuldigte plädierte auf Notwehr

Die Beschuldigte plädierte allerdings auf Notwehr. Als der Freund weg war, sei es nicht am Gang, sondern in der Küche zu einer Handgreiflichkeit gekommen. Da die 30-Jährige sehr laut schrie, habe ihr der Ex mit der Hand den Mund und die Nase zugehalten. "Ich wollte ihn wegstoßen von mir, aber ich hatte keine Chance", sagte sie vor Gericht. Aus Panik zu ersticken, habe sie sich ein Küchenmesser geschnappt und habe "kurz hineingepikst, damit er mich los lässt". Und weiter: "Ich wollte ihn nicht verletzen, schon gar nicht töten", erklärte die Beschuldigte.

Diese Version der Geschichte unterstützten nun plötzlich auch das Opfer und dessen Freund. "Ja, ich hab' sie sehr stark gepackt und ihr stark Mund und Nase zugehalten. Ich hatte damals auch zehn Kilo mehr", sagte der 33-Jährige. Auf den Vorwurf des Schwurgerichtsvorsitzenden Thomas Kreuter, dass das nun eine ganz andere Aussage sei, meinte der Mann: "Ich hab' das damals anders empfunden." Daraufhin meinte der beisitzende Richter, Norbert Gerstberger: "Man kann das nicht so empfinden, man kann nur falsch aussagen." Es gebe nur zwei Möglichkeiten, entweder war die Aussage damals vor der Polizei falsch oder nun vor Gericht. Eine der Versionen sei "objektiv und offenkundig falsch", sagte Gerstberger. Auch der Freund des 33-Jährigen konnte sich an Details nicht mehr so genau erinnern: "Das ist mehr als drei Jahre her."

Paar hat sich mittlerweile wieder getrennt

Fakt ist, dass das Ex-Paar trotz des Vorfalls für einige Zeit wieder zueinander gefunden hat und sogar für einige Monate in die Türkei ausgewandert ist. Der 33-Jährige begleitete die Frau auch im Zuge der Ermittlungen zum psychiatrischen Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer. Sie erzählte Dantendorfer im Beisein des Mannes, dass es sich um Notwehr gehandelt habe. Laut Anwalt Strobl dürfte der 33-Jährige aus Ärger über ein Facebook-Posting dann vor der Polizei eine andere Version des Vorgangs geschildert haben.

Da die 30-Jährige zum Teil auch als U-Boot in Wien lebte, war sie bis 2019 für die Polizei nicht greifbar. Als sie erfuhr, dass gegen sie wegen Mordversuchs ermittelt wurde, stellte sie sich. Seit dem Sommer war sie in Untersuchungshaft. Das Paar hat sich mittlerweile wieder getrennt.

(APA/Red)

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