Mehrsprachig ohne Fremdsprachen-Kenntnisse

“Man muss diese Vielfalt der Ausdrucksmittel als Reichtum betrachten”, erklärte Alexandra Lenz vom Institut für Germanistik an der Universität Wien. Sie ist Mitorganisatorin der Tagung “Deutsch in Österreich”, die von Donnerstag bis Samstag (19. bis 21. April) in Wien stattfindet und sich mit den Dialekten Österreichs, ihren Funktionen, Bewertungen und Entwicklungen auseinandersetzt.
“Wir alle setzen ständig unterschiedliche Varietäten des Deutschen ein”, oft geschehe das unbewusst, so Lenz im Gespräch mit der APA. Je nach Situation wird die passende Sprache aus dem vorhandenen Repertoire ausgewählt. Im Privaten sei das häufiger Dialekt, je förmlicher eine Situation ist, desto eher werde in die Hochsprache gewechselt, so Lenz.
Dialekt als Erstsprache
Viele Kinder in Österreich lernen zuerst ihren regionalen Dialekt und erst in der Schule Deutsch als Hochsprache. Das sei keinesfalls ein Nachteil, so Lenz, die oft eine Stigmatisierung von Dialekten in Österreich und Deutschland ortet. Denn Studien zeigen, dass diese Kinder aufgrund ihrer frühen Mehrsprachigkeit ständig Analogien zwischen den Sprachen herstellen und diese später auf andere germanische Sprachen wie Englisch oder Schwedisch anwenden können.
“Dialekt ist oft verbunden mit dem Persönlichen und Emotionalen”, er sei ein wichtiger Bestandteil von Identität, erklärte Lenz. Mit vielen Sprachvarietäten würde man auch positive oder negative Emotionen verbinden. Es gibt einige Dialekte, die in Studien regelmäßig schlecht abschneiden: “Sächsisch ist so ein Dialekt, der immer wieder negativ beurteilt wird. Beim Bayrischen oder Wienerischen scheiden sich die Geister. Entweder das Wienerische wird als positiv oder negativ eingestuft.”
Dabei sei es zunehmend schwierig, “Wienerisch” zu definieren. Aufgrund ständiger gegenseitiger Beeinflussung gäbe es in Großstädten wie Wien zunehmend einen “bunten Blumenstrauß” an Sprachvarietäten statt einer homogenen Stadtsprache.
Deutsch in Österreich
Den verschiedenen Funktionen des Dialekts widmet sich auch der Eröffnungsvortrag der Tagung “Deutsch in Österreich”: Manfred Glauninger vom Institut für Österreichische Dialekt- und Namenlexika der Österreichischen Akademie der Wissenschaften spricht über die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten sprachlicher Bausteine. So wird Dialekt häufig in seiner identitätsstiftenden Funktion genutzt, aber auch um ein Thema besonders zu emotionalisieren oder sich über jemanden lustig zu machen.
Am Donnerstag Abend findet eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema “Was ist eigentlich Mehrsprachigkeit?” statt. Die Grenzen zwischen einer eigenen Sprache und einer Varietät seien oft fließend, das norddeutsche Plattdeutsch ist als eigene Sprache anerkannt. “Da fragen wir uns, wie sinnvoll ist es, zwischen jemandem zu unterscheiden, der mehrere Sprachen oder nur mehrere Sprachvarietäten beherrscht”, sagt Lenz, “man muss die Vielfalt der Sprachen mehr als Geschenk und weniger als Bedrohung begreifen.”
(APA)