Mehr Licht!

Intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, den Erkenntnissen von Medizin bis Soziologie, darf man den beiden Architekten abnehmen, bauen sie doch für Betagte seit 15 Jahren: in Linz, Götzis, Rankweil, demnächst in Mäder und Innsbruck. Hier haben sie sich in einem europaweiten Wettbewerb durchsetzen können. Die Beschäftigung mit dem Nutzer förderte so manches Paradox zutage: Bei aller Beklemmung, die Unruhe bewirken kann – alte Menschen reisen gern. Sie möchten in Ruhe gelassen werden – aber nicht allein sein. Das Sinnesvermögen schwächt sich ab – doch der erste unserer Sinne, der Tastsinn, gewinnt und bleibt als letzter. Umtrieb wird unerträglich – doch Stillstand nicht minder. Entgegenkommen ist erwünscht – doch bitte keine Bevormundung. Wie daheim soll’s sein – aber bloß nicht das alte Haus.
Da setzen die Architekten an: Das Haus ist lichtdurchflutet, seine wechselnden Oberflächen beleben die Sinne, seine Details kommen dem Nutzer entgegen. Als ob alles Ungereimte ihnen ein Bild eingegeben hätte, zieht sich eine Figur durch den Entwurf: Das Mäanderband – statisch und dynamisch zugleich, vorwärts treibend und zurückkehrend, offen und geschlossen.
So der Grundriss: Drei Baukörper sind dynamisch um zwei Höfe gelegt – der Rücksprung des Zugangs macht den dritten, einen Cour d’honneur zur Bahnhofstraße. Erdgeschoss und Obergeschoss sind jeweils einer Wohngruppe zugeordnet – sieht man vom Erdgeschoss des ersten Körpers ab, der zwei Mehrzweckräume und eine Kapelle birgt, ergeben sich fünf Wohngruppen. Die bestehen aus Einzelzimmern und Gemeinschaftsraum, offen gegliedert in Küche, Essplatz und Wohnzimmer. Die Wohngruppen liegen so zueinander, dass über die Höfe die Gemeinschaftsräume einsehbar sind, während die privaten Zimmer den Blicken entzogen nach außen liegen, ganz dem Licht zugewandt.
Der größere Hof öffnet sich nach Süden zu einem Garten und verlängert die Eingangshalle mit Treppe und großzügiger Nordbelichtung (deren Südfl anken Solarkollektoren sind). Der kleinere Hof geht zur Abendsonne, reicht bis ins Untergeschoss, ist Außenraum eines Therapieraumes und belichtet die große Küche, die neben dem Haus selbst Schulen und Kindergärten mitversorgen kann. Die Gemeinde ist in diesem Geschoss mit dem Archiv anwesend.
Ins Auge springt das Mäanderband bei den Fassaden. Außen fasst ein kräftiger, braun eloxierter Rahmen die Fenster der beiden Geschosse zusammen; Feststehende Verglasung und Öffnungsflügel springen im Wechsel vor und zurück; die geschlossene Brüstung ist mit Glas verkleidet. Das ergibt große Fassadentiefe, ein Gewinn für die Räume: Breite Fensterbänke erlauben, die übliche Brüstungshöhe deutlich zu unterschreiten – man kann in diesem „Blumenfenster“ sitzen. Innen gliedert das Mäanderband, hier aus Eichenrahmen, die langen Innenwände.
Außen werden die Mäanderfelder aus Glas und Aluminium gefasst von geschlossenen Wandscheiben – der helle Kalkstein prägt diesen besonderen, vor Ort gegossenen Waschbeton. Ein Experiment, das gelang, weil Ausschalen und Auswaschen unter der Regie desselben erfahrenen Poliers stattfand. Dass das (fast) Weiß des Kalk hier, in der Nähe großer Kalkbrüche, zur Wirkung kommt, wird sowenig Zufall sein wie die Korrespondenz des Mäander-Lineaments mit der Laubsägestruktur der Anbauten umliegender Jugendstil-Villen.
Konstruktiv handelt es sich um einen Stahlskelett-Bau mit Ortbeton-Flachdecken. Die Trennwände innen sind Leichtbau, offen für sich wandelnde Wohngewohnheiten. Aussteifend ist zunächst nur der Kern, ergänzt durch die später vorgestellten Betonscheiben der Außenwand. Das Gebäude ist innen gedämmt, die Fenster hochgedämmt, was insbesondere beim Rahmen Mut zum Experiment erforderte. So erreicht man mit kontrollierter Be- und Entlüftung Niedrigenergiestandard.
Auf je eigene Art unterstützen drei Kunstprojekte die Atmosphäre: Die raumhohen Glaswände überzieht Uta Belina Wäger mit einem Muster, das sich als Schrift mit Text im Dialekt entpuppt, unterschiedlich dicht nach Bedarf. Mit raumhohen Fotos bekannter Reiseziele, bevorzugt mediterran, identifi ziert Gerhard Klocker die Wohngruppen. Mit scheibenförmigen Objekten aus „recycelter“ Pelzmode stimuliert Edith Hofer Berührung.
Auf je eigene Art unterstützen drei Kunstprojekte die Atmosphäre: Die raumhohen Glaswände überzieht Uta Belina Wäger mit einem Muster, das sich als Schrift mit Text im Dialekt entpuppt, unterschiedlich dicht nach Bedarf. Mit raumhohen Fotos bekannter Reiseziele, bevorzugt mediterran, identifiziert Gerhard Klocker die Wohngruppen. Mit scheibenförmigen Objekten aus „recycelter“ Pelzmode stimuliert Edith Hofer Berührung.
Daten & Fakten
Haus Klosterreben, Rankweil
Bauherr: Marktgemeinde Rankweil
Architekten: Dorner\Matt Architekten, Thalbachgasse 2a, Bregenz
Kunst:
- Edith Hofer: „Rund und Haarig“, Fellobjekte
- Gerhard Klocker: „Collective Memory“, Fotografie
- Uta Belina Waeger: „S‘FREI HA MITANAND“, Kunst-Sprach-Leitsystem
Örtl. Bauaufsicht: 955° Peter Winder, Alberschwende
Nutzung:
- 5 Wohngruppen
- im Mittel 12 Personen
- 60 Betten auf 2 Etagen
- Mehrzweck- und Therapieräume
- Verwaltung
- Kapelle
Nutzfläche: 5500 m² inkl. Tiefgarage, Großküche, Archiv
(Leben & Wohnen/ Florian Aicher)
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
www.v-a-i.at
Kommenden Freitag:
Architektur vorORT 86 – 24|02|2012
Haus Klosterreben, Rankweil, Treffpunkt: 17 Uhr
Die vai-Veranstaltungsreihe Architektur vorORT bietet
die Gelegenheit das Gebäude selbst zu erfahren, unterlegt mit
Informationen durch Bauherr, Nutzer und Architekt.