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Mehr Kontertore, weniger aus Standards

Der Trend im europäischen Fußball geht immer mehr zu Toren aus schnellen Ge­genstößen. Standardsituationen sind dagegen nicht mehr in diesem Maße spiel­entscheidend, wie sie das noch in der jüngeren Vergangenheit gewesen waren.

Das bestätigte der Technische Direktor der UEFA, Andy Roxburgh, am Montag in einer Pressekonferenz in Wien. Demnach sind bei der EURO 2008 bisher rund 35 Prozent der Tore aus dem Spiel aus schnellen Gegenstößen, aber nur 25 Prozent nach Standardsituationen erzielt worden.

“Geschwindigkeit im Umschalten ist eines der wichtigsten Elemente im modernen Fußball”, erklärte Roxburgh, der mit seinen acht Kollegen die technischen Entwicklungen im Turnier analysiert. Ein Team, das diese Fähigkeit im Turnier bisher besonders eindrucksvoll gezeigt hat, ist Russland. “Wenn der defensive Block einmal steht, dann ist es sehr schwer, ihn zu überwinden”, sagte Roxburgh. “Daher muss man den Platz bei Gegenangriffen dringend nützen.”

Das gilt nicht nur für den “klassischen” Konter, wenn das eigene Team in Führung liegt, sondern nach allen Ballgewinnen im Mittelfeld – der sogenannte “kollektive Konter”. Dabei schickt das Team, das den Ball erobert hat, möglichst viele Spieler in die Offensive und versucht, die Räume in der noch nicht formierten Defensiv-Formation zu nützen. Einziges Risiko dabei ist es, selbst in einen Gegenangriff zu laufen. “Die Leute sind sich bewusst, wie gefährlich Konter sein können”, versicherte Roxburgh.

Die weniger große Relevanz von Standardsituationen begründete der Schotte damit, dass Teams einerseits Freistöße in der eigenen Gefahrenzone zu vermeiden versuchen und diese zudem konzentrierter und organisierter verteidigen. Trickspielzüge sind in Zeiten der Spionage sowieso zu einer aussterbenden Spezies geworden. Bisher fiel lediglich ein einziger von 68 EURO-Toren aus einem direkten Freistoß – und selbst dieser vom Italiener Daniele De Rossi gegen Frankreich (2:0) war abgefälscht.

Eine weitere Entwicklung, die Roxburgh und sein Team festgestellt haben, ist die große Einflussnahme der Trainer durch zahlreiche taktische Umstellungen in der Endphase des Spiels. Insgesamt sieben Tore fielen bisher in der Nachspielzeit, vier in der Verlängerung. “Wir haben sehr viel Drama gesehen – vor allem von der Türkei”, sagte der UEFA-Technikdirektor. Die Intensität der Spiele sei über die volle Distanz sehr hoch. “Dabei denke ich an Geschwindigkeit mit dem Ball, Laufwege und Laufintensität.”

Das allgemeine Niveau des Turniers sei erstaunlich. Die Unterschiede zwischen den Teams seien sehr gering, überhaupt bei jenen, die im Halbfinale stehen. Daher lasse sich auch keine qualifizierte Prognose abgeben. “Die Topteams sind sehr effizient. Wenn man Defizite hat, dann werden sie auf diesem Level sofort gefunden und ausgenutzt”, erklärte Roxburgh. Jedes Team benötige im modernen Fußball Kreativspieler. “Und sie müssen auch fähig sein, auf das Endprodukt abzuzielen – auf Tore.”

Genau das sei das Problem bei den EURO-Gastgebern Österreich und der Schweiz gewesen. Während die Schweiz bereits zum Auftakt ihren verletzten Topscorer Alexander Frei verlor, gelang Österreich trotz starker Leistungen nur ein einziger Treffer – durch einen Elfmeter von Ivica Vastic in der Nachspielzeit gegen Polen. “Österreich hat mit großem Enthusiasmus gespielt. Sie haben einige ihrer Spiele dominiert. Ihnen hat vor dem Tor einfach der Touch gefehlt”, urteilte Roxburgh. “Auf Nationalteam-Ebene kann man sich nicht einfach einen Stürmer wie Benzema oder Torres kaufen.” Wenngleich eines dieser Kaliber dem ÖFB-Team sehr gut tun würde.

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