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Medienexperte: "Verständlich, dass es Frustration gibt"

Schlagzeilen wie "Ich saß nur zwei Meter hinter F." ("Bild") oder Exklusivstorys mit der Schwägerin und der Ehefrau des Angeklagten Josef F. im Inzest-Fall von Amstetten - Journalisten sind auf der Jagd nach Geschichten.

Erwartungen, die vor Verhandlungsbeginn geweckt wurden, versuchen Medien nun zu erfüllen, sagte Medienwissenschafter Hannes Haas, Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien. Die Verhandlung war als Jahrhundertprozess angekündigt. Verständlich, dass es auch Frustration unter Journalisten gibt, so Haas.

“Die Berichterstattung ist wie erwartet”, meinte Haas. Eine gewisse “Pseudo-Exklusivität” wie “ich habe mit der Schwägerin gesprochen” oder “ich konnte förmlich seine Angst riechen” bringen die Umstände des Verfahrens mit sich. Wenn so viele Journalisten an Ort und Stelle, aber nur zum Teil in den Verhandlungssaal zugelassen sind, dann fördere das natürlich die Tatsache, dass Journalisten ihre Fühler rundherum ausstrecken.

“Witwenschütteln”

Die Suche nach Informationen abseits des Gerichtsgebäudes lanciere laut Haas auch “Scheckbuchjournalismus en masse” oder das im Journalisten-Jargon als “Witwenschütteln” bezeichnete schamlose Ausnützen der Hinterbliebenen von Unglücksopfern, um an Interviews oder Fotos zu kommen.

Für den Ärger der internationalen Medienvertreter am “spärlichen” Informationsfluss hat der Medienwissenschafter bedingt Verständnis. Natürlich müsse die Öffentlichkeit eines Gerichtsverfahrens gegeben sein. Dass der Großteil unter Ausschluss stattfinden würde, war bekannt. “Das haben alle im Vorfeld gewusst”, so Haas.

Auch dass es eine Pool-Lösung für Bild und Video gäbe, war vor Prozessbeginn kommuniziert worden. “Fatal wäre, wenn man diese Lösung nicht einhielte”, meinte der Professor.

Nicht einfach ist es für das Gericht, trotz Ausschluss der Öffentlichkeit das Bedürfnis der Presse nach Informationen über das laufende Verfahren zu befriedigen. Problematisch könne es dann werden, wenn es zu einem täglichen “Jour-Fixe” verkommen würde, einem Treffen zur fixen Stunden ohne wirklich Informationen liefern zu können, meinte Haas.

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