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Mauthausen: Gedenken im Zeichen des Ukraine-Krieges

Das Mauthausen-Gedenken stand im Zeichen des Ukraine-Krieges
Das Mauthausen-Gedenken stand im Zeichen des Ukraine-Krieges ©APA/TEAM FOTOKERSCHI.AT/HANNES DRAXLER
US-Truppen haben vor 77 Jahren das KZ-Mauthausen befreit. Dieser Befreiung ist am Sonntag in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen gedacht worden. Das Gedenken stand in diesem Jahr auch im Zeichen des Ukraine-Krieges.

"Wenn es unbedingt einen Sieger braucht, dann nicht Nationen, nicht einen großen Führer, sondern die Werte Friede, Freiheit, Solidarität!", appellierte Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich.

Gemäß des diesjährigen Themas "Politischer Widerstand" erinnerte Mernyi an all jene politisch Andersdenkenden, die von den Nazis "systematisch verfolgt und ermordet" wurden. Er betonte, dass es auch heute wichtig sei Widerstand zu leisten: "So sehen wir es als unsere Verpflichtung, bei einer kriegerischen Auseinandersetzung klar und deutlich 'Nein' zu sagen!" Der Präsident des Comité International de Mauthausen, Guy Dockendorf, nahm ebenfalls auf den Krieg in der Ukraine Bezug: Er erinnerte an die vielen russischen und ukrainischen Kriegsgefangenen in den Lagern der Nazis, die dort zur selben Kategorie an Häftlingen gezählt worden waren. "Sie haben als Bürger der Sowjetunion ihren Teil zum gemeinsamen Kampf gegen den Nazi-Aggressor beigetragen."

Botschafter von Russland und Belarus bei Gedenken nicht erwünscht

Zu der Feier kommen traditionell Abordnungen aus aller Welt, denn die in Mauthausen Inhaftierten stammten aus mehr als 70 Nationen. Die Botschafter von Russland und Belarus wurden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von den Veranstaltern gebeten, nicht zu kommen. Hilfsorganisationen, Überlebende und deren Angehörige aus diesen Ländern waren aber willkommen. Beim ukrainischen Denkmal widmete sich eine Ausstellung dem Krieg, der zur Zeit dort tobt. Fotos von Zivilisten in Luftschutzkellern, von Massenflucht und Zerstörung aus der heutigen Ukraine wurden analogen Motiven aus dem Zweiten Weltkrieg gegenübergestellt - Bilder von erschreckender Ähnlichkeit.

Am Appellplatz erinnerten großformatige Bilder von Mauthausen-Überlebenden mit Aufrufen zu Frieden und Solidarität in zahlreichen Sprachen an die insgesamt rund 200.000 KZ-Häftlinge, von denen rund die Hälfte ermordet wurde oder den grausamen Haftbedingungen zum Opfer fiel. Nur mehr ein einziger Überlebender war für die Befreiungsfeier angesagt, er musste aber aus gesundheitlichen Gründen im letzten Moment doch noch absagen: Der aus Litauen stammende und heute in Israel lebende Daniel Chanoch (90) wurde am 5. Mai 1945 aus dem KZ Gunskirchen, einem der zahlreichen Nebenlager von Mauthausen, befreit. Da war er zwölf Jahre alt. Bis heute ist er unermüdlich damit beschäftigt, als Zeitzeuge die Erinnerung am Leben zu halten. Erst diese Woche hat er sein Buch "Erzählen um zu leben - Das Leben ist eine Frage von Sekunden und Millimetern" präsentiert.

Viel Applaus für Ukraine-Delegation bei Mauthausen-Gedenken

Beim eigentlichen Festakt, bei dem die Vertreter zahlreicher Nationen und Organisationen am Sarkophag im Zentrum der Gedenkstätte vorbeiziehen, wurde die russische Delegation nur als "Koordinationsrat der Organisationen russischer Landsleute in Österreich" angekündigt. Die ukrainische Delegation wurde mit langem und herzlichem Applaus bedacht. Den Abschluss machte traditionell die US-amerikanische Abordnung - das Lager war im Mai 1945 von amerikanischen Soldaten befreit worden.

ÖVP-Minister in diesem Jahr wieder bei Befreiungsfeier

Das offizielle Österreich war vertreten durch Innenminister Gerhard Karner, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (beide ÖVP), Justizministerin Alma Zadic und Klimaministerin Leonore Gewessler (beide Grüne). Im Vorjahr war die ÖVP-Regierungsriege dem Gedenken fern geblieben, was für Kritik gesorgt hatte. Ebenfalls anwesend war Altbundespräsident Heinz Fischer.

Im Vorfeld der Feier hatte der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer Widerstandskämpfer als "Leuchttürme gegen die Resignation in das Schicksal" gewürdigt. Aktiver Widerstand finde "seine Begründung in dem auch von der katholischen Sittenlehre anerkannten Recht auf Notwehr, das geltend gemacht wird, um den Staat auf seine Gemeinwohlfunktion zu beschränken". Der evangelische Bischof Michael Chalupka erinnerte daran, dass im KZ Mauthausen die Religionsausübung mit dem Tod betraft wurde. In Mauthausen "trifft Schmerz auf Hoffnung. Hier verbindet sich der Kummer mit dem Lebenswillen", so der orthodoxe Erzpriester Ioannis Nikolitsis.

"Mehr als vier Jahrzehnte hat es gedauert, bis das offizielle Österreich anerkannt hat, in der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur Opfer, sondern auch Täter gewesen zu sein. Was wir heute als selbstverständlich betrachten, war ein langer und mühsamer Prozess für unser Land", so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Aussendung. Die ehemaligen Konzentrationslager und jetzigen Gedenkstätten Mauthausen und Gusen würden bei der Aufarbeitung eine wichtige Rolle spielen. Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) würdigte all jene, "die den Mut gehabt haben, sich offen gegen das NS-Regime zu stellen. Gleichzeitig eint uns das Bekenntnis dazu, alles zu tun, dass ihr Heldentum nie wieder notwendig werden wird."

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner betonte in einer Aussendung, "die nationalsozialistischen Gräueltaten dürfen niemals vergessen werden", das heiße auch, "Menschlichkeit zu bewahren und jeder Form von Hass, Ausgrenzung und Gewalt entschieden entgegenzutreten". Der Krieg in der Ukraine zeige, dass ein friedliches Zusammenleben auch in Europa nicht selbstverständlich sei, so der geschäftsführende oö. SPÖ-Landesparteivorsitzende Michael Lindner.

(APA/Red)

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