Vor etwa fünf Monaten hatte sich Faithfull ihre Hüfte gebrochen, “zerschmettert”, wie sie selbst sagte. Monatelang musste die Sängerin liegend verbringen, nachdem ihr neue Gelenke aus Titan eingesetzt worden waren. Als “tiefschwarze Erholungsperiode”, bezeichnete sie in einem Interview diese Zeit.
Dass sie danach mit “Give My Love To London” ihr stärkstes Album seit langem herausbrachte, verwundert nicht. Schon der Klassiker “Broken English” entstand in einer dunklen Periode: Damals, Ende der 70er-Jahre, sah sie, von langem schweren Drogenmissbrauch gezeichnet, ihren Tod nahen.
Breites Repertoire von Marianne Faithfull
Aber da betrat die Überlebende nun ganz langsam, an einem Stock gehend die Bühne des Konzerthauses. Das zynische Titelstück des aktuelles Werkes machte den Anfang, das ebenfalls neue, mit Anna Calvi komponierte, “Falling Back” folgte. Bei “Broken English” musste Faithfull husten, die Stimme schaffte es nicht mehr in den Song zurück. Sonst aber kämpfte sich die Künstlerin mit ungarisch-österreichischen Wurzeln solide durch das keineswegs in der Vergangenheit hängende Repertoire.
Natürlich fehlten Hits wie “As Tears Go By” oder “The Ballade Of Lucy Jordan” nicht. Aber kein Crowd-Pleaser, sondern das düstere, von Nick Cave geschriebene “Late Victorian Holocaust” war der Höhepunkt des Abends. Als einen “neuen Song über Heroin” hat Faithfull das Lied angekündigt. Den alten, “Sister Morphine”, am Tag davor in München noch auf der Setlist, brachte sie leider nicht. Dafür überzeugte die aktuelle Single, das von Roger Waters stammende “Sparrows Will Sing”, auch live.
Man möge die Schweinwerfer dimmen, sie verbrenne sonst, hat Faithfull irgendwann im Laufe ihres Gastspiels gefordert. “This bright light shit is not for me”, raunte sie. Das gilt im übertragen Sinn auch für ihr musikalisches Werk.
Zum Album “Give My Love To London”
(APA)