Der Mann musste sich am Mittwoch wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 StGB) am Landesgericht verantworten. Ein Schöffensenat erklärte sich am Ende einer dreistündigen Verhandlung für nicht zuständig. Nach Ansicht des Gerichts hat das Beweisverfahren ergeben, dass der Angeklagte den Tod seiner Mutter zumindest mit bedingtem Vorsatz wissentlich in Kauf genommen haben könnte. Das bedeutet, dass sich in einigen Monaten ein Schwurgericht mit dem Fall auseinandersetzen muss und prüfen wird, ob der 59-Jährige mit seinen Handlungen bzw. Unterlassungen womöglich den Tatbestand des Mordes erfüllt hat.
82-Jährige stirbt nach Auseinandersetzung mit Sohn
Das inkriminierte Geschehen hatte sich im Haus der Mutter in einer Ortschaft in der Nähe von Krakau abgespielt. Der Sohn soll mit der damals 82-Jährigen seit längerem gestritten haben, weil er diese dazu bringen wollte, ihm das Haus zu überschreiben. Die betagte Frau weigerte sich. Weil ihr Sohn darauf hin angekündigt haben soll, er werde das Gebäude anzünden, verständigte die 82-Jährige die Polizei.
Am 31. Jänner 2011 suchte der Mann erneut das Gespräch mit der Mutter, was wiederum in eine Auseinandersetzung ausartete. Dabei soll der 59-Jährige der gehbehinderten Frau die Krücken weggenommen und diese damit zu Boden gebracht haben. Laut Anklage versetzte er ihr Schläge, setzte bzw. kniete sich dann auf die Frau und ließ die Schwerverletzte liegen, nachdem er Blutlacken aufgewischt hatte. Die 82-Jährige starb einige Stunden später an den Folgen von Serienrippenbrüchen und lebensgefährlichen Schnittverletzungen am linken Unterschenkel, die vermutlich darauf zurückzuführen waren, dass sie zunächst auf einen massiven Glastisch gestürzt war, der dabei zu Bruch ging.
Mann könne sich an Handlungen nicht mehr erinnern
Das Strafverfahren gegen den 59-Jährigen wurde 2015 von den polnischen Behörden an die Wiener Justiz abgetreten. Der Angeklagte lebt seit 2005 in der Bundeshauptstadt. Er bekannte sich zu dem Vorwurf, für den Tod der Mutter verantwortlich zu sein, indem er ihr Serienrippenbrüche zufügte und danach weder Arzt noch Rettung verständigte, “nicht schuldig”.
Er könne sich nicht erinnern, “wie dieses Gerangel ausgeschaut hat”, gab der Angeklagte zu Protokoll. Er habe die 82-Jährige jedenfalls nicht geschlagen. Als sie vor ihm am Boden lag, habe er keine äußeren Verletzungen wahrgenommen. Er habe sie aber gefragt, “ob sie eine Rettung braucht. Sie hat das abgelehnt.” Daher sei er etwas trinken gegangen: “Ich war nicht imstande, klar zu denken. Ich hatte so viele Stimmen im Kopf.”
Gerichtsmediziner: Mutter wäre zu retten gewesen
Laut Gerichtsmediziner Christian Reiter wäre die Frau bei rascher notfallmedizinischer Hilfe vermutlich zu retten gewesen. Bei der Obduktion wurden beidseitige Serien-Rippenbrüche, Blutunterlaufungen am Kopf und am Oberkörper und lebensgefährliche Schnittverletzungen am linken Unterschenkel festgestellt. Die Leiche wies auch Abwehr- und Deckungsverletzungen an beiden Händen auf, was dafür sprach, dass es einen Kampf gegeben haben dürfte und die Frau sich vor Schlägen zu schützen versuchte. Der Gutachter wies weiters darauf hin, dass aufgrund des Verletzungsbildes “ein Draufsetzen, Draufsteigen oder Draufknien” auf den Körper der 82-Jährigen stattgefunden hatte. Die Frau habe “noch ein paar Stunden” gelebt, ehe der Tod eintrat.
Der 59-Jährige hatte sich nach seinem ausgedehnten Lokal-Besuch von einem Taxi zurück an den Tatort bringen lassen. Gemeinsam mit dem Taxifahrer betrat er das Haus, wo die beiden die Tote fanden. “Es tut mir leid, dass ich das getan habe. Aber ich kann mich an den zeitlichen Ablauf nicht mehr erinnern”, waren die letzten Worte des Angeklagten, ehe Richter Thomas Kreuter am Landesgericht das Unzuständigkeitsurteil verkündete.
(APA/Red)