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Mankers "Alma" erstmals in Wien: Viel Drama im Telegrafenamt

Eines ist sicher: Würde Alma Mahler heutzutage wirklich Geburtstag feiern, die Society-Berichterstatter würden bei dem Event die Türen einrennen, da müsste diese nicht einmal stolze 129 Jahre alt werden.

Auch bei der gestrigen Premiere von Paulus Mankers erfolgreicher Sobol-Produktion “Alma” drängten sich mehrere Kamerateams und Fotografen zuerst beim Sektempfang zwischen den Gästen und dann zu Beginn des Stücks um die Schauspieler. Das am Schluss bejubelte “Polydrama” ist bis 31. August erstmals in Wien zu sehen – der grandiose Schauplatz ist das leer stehende k.k. Post- und Telegrafenamt am Börseplatz.

Die Theaterbesucher selbst sollen sich beim “Polydrama”, das seit seiner Purkersdorfer Festwochen-Premiere 1996 weltweit Erfolge feiern konnte, nach Anweisung des “Alma”-Teams ebenso wie eine Kamera verhalten: “Sie sind eine Kamera. Ihr Auge schreibt das Theaterstück”, heißt es in den “zehn Geboten für Alma” (ein weiteres: “Kameras unterhalten sich nicht mit anderen Kameras und benutzen keine Handtelefone.”). Jeder Besucher stellt sich nach dem ebenso abwechslungsreichen wie heutigen Konzept sein eigenes Stück zusammen, folgt den Schauspielern durch das Gebäude und sieht sich eine Auswahl aus der Vielzahl der parallel in mehreren Stockwerken, im Stiegenhaus, im Hof und auch auf der Straße gespielten Szenen an, die das Leben und Lieben der Künstlermuse umreißen.

Anfangs, bei den ersten Szenen nach der Geburtstagsparty im ebenso großen wie hallenden Festsaal, wäre man am liebsten einer dieser Kamera-Kräne gewesen, die elegant über die Köpfe hinweg sich ins Geschehen einklinken können: Man musste sich strecken und recken, um Almas Liebesgeständnis für den zwei Jahrzehnte älteren Gustav Mahler nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Doch je weiter sich die Szenen im Haus verzweigen, desto intimer wird es – folgt man den weniger prominenten Charakteren, steht man etwa mit einem Schauspieler und einem halben Dutzend Besuchern alleine im Fackelschein im Stiegenhaus.

Das Abseitige sorgte oft auch für die besseren Momente als jene Hauptstränge der drei Almas (Donja Golpashin, Annina Graczyk und Myriam Schröder), die allzu oft in überstarke Emotionen ausweichen und auch mit übermäßiger Lautstärke nicht sparten. Dabei waren es eher die stillen Nebenaspekte, die die eigentlichen Hauptrollen spielten: Der prunkvolle, mit Zeitungen, Möbeln, Betten und vielen, vielen Kerzen zum Theaterort adaptierte Bau. Jene zwei Hausbewohner, die während der Begräbnisszene für Gustav Mahler in der angrenzenden Gasse etwas verschreckt vom Schein des brennenden “MAHLER”-Schriftzuges ihren Hund Gassi führten. Oder auch jene Klänge vom Geistergeheul bis zur Musik, die durch das Haus wehten, die ahnen ließen, was sich anderswo abspielte – und doch oft die Frage aufwarfen, ob es gerade in diesem Moment bei einer anderen der parallel gespielten Szenen nicht interessanter wäre.

Nach der Pause mit Gustav Mahlers Leichenschmaus herrschte vereinzelt Unwillen (“Ich dachte, das ist aus!”), sich wieder auf die Story einzulassen, und verbreitet – die Premiere wurde von “Wein & Co” gesponsert – vergrößerte Lust beim Publikum, mehr oder weniger launige Kommentare zum Geschehen abzugeben. Um 0.30 Uhr dann, nachdem die junge Alma als Fetischpuppe geköpft worden war, ein nacktes Mädchen sich weigerte, die alte Alma (gespielt von Carola Regnier) anzuzünden, und zuletzt noch einmal alle ihre Männer von Klimt (gespielt von Maximilian Hilbrand) bis Kokoschka (Manker), von Zemlinsky (Ruben Garcia) bis Mahler (Lukas Miko) auftraten, rauschender Applaus. Und wer es eilig hatte mit dem Nachhausekommen, konnte sich ganz alleine über die Stiegen des dunklen, von Kerzenduft und Requisiten erfüllten Baus bis zum Ausgang vortasten. Ein würdiger Abschluss für einen auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Premiere noch mitreißenden Abend – trotz einiger Längen, trotz vielleicht allzu kunstgriffigem Ende.

Vorstellungen bis 31. August, Info und Karten unter: www.alma-mahler.com

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