Im Studio waren der israelische Terrorexperte Shlomo Shpiro, die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Katrin Göhring-Eckardt, “Welt”-Herausgeber Stefan Aust und der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU). Dieser hatte am Morgen nach dem Anschlag für Aufsehen gesorgt, als er sagte, dass Deutschland sich im “Kriegszustand” befände. Das Wort “Krieg” sei jedoch sicherlich sehr hart, wie Bouillon am Anfang der Sendung sagte. Zu der Runde zugeschaltet wurde außerdem noch bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU).
Deutschlands “11. September”
Eins der spannendsten Zitate des Abends liefert Terrorismusexperte Shpiro bereits ganz am Anfang der Sendung. Deutschland habe die Terrorgefahr vor dem Berlin-Anschlag unterschätzt, dieser sei sowas wie der “11. September” Deutschlands und spielte damit auf die Anschläge auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 an. “Der Terror gehört jetzt zum Alltag in Deutschland”, sagte Shpiro. Später kritisierte er zudem den die Ausrüstung und Ausbildung der deutschen Polizisten. Die Maschinenpistolen der Polizei würden aus den Siebzigern stammen und Trainingsschießstände würden geschlossen. “Was bringt ein Polizist mit einem Maschinengewehr, der nicht weiß, ob er einen Zivilisten oder einen Terroristen trifft?”, fragt der Experte. Zudem bräuchte man die Arbeit der Geheimdienste, diese hätten in Deutschland durch die Zeiten von Stasi und Gestapo jedoch einen schlechten Ruf.
“Kommunikation wie im 18. Jahrhundert”
Das Thema Sicherheitsbehörden beschäftigt auch Bouillon, insbesondere was die Kommunikation der einzelnen Ämter untereinander. “Was IT angeht, arbeiten wir wie im 18. Jahrhundert”, so der CDU-Politiker. Was die Verständigung betrifft, sei man erst im Aufbau, es gebe 19 unterschiedliche Kommunikationssysteme in 16 Bundesländern. “Föderalismus ist teuer und hinderlich. Gott sei dank haben die deutschen Innenminister beschlossen, zum ersten Mal eine gemeinsame Plattform zu errichten.”
“Hinterher ist man immer schlauer”, sagte Journalist Stefan Aust, auf die Frage, wie man den Anschlag eventuell verhindern hätte können. Betonbarrieren am Eingan zum Weihnachtsmarkt hätten den LKW stoppen könne, aber eine absolute Sicherheit gebe es nicht. “Aber hinterher sieht man immer, wo man besser aufpassen hätte können.
Söder “Kontrollverlust” bei der Zuwanderung
Grünen-Politikerin Katrin Göhring-Eckardt hingegen warnte vor voreiligen Schlüssen und Populismus, mahnte zu Besonnenheit. Eine Aufforderung, die wohl auch explizit in Richtung der CSU geht. Parteichef Seehofer hatte am Morgen nach dem Attentat ein massives Umdenken in der deutschen Asylpolitik gefordert. Forderungen, die der zugeschaltete CSU-Mann Söder auch bei Maischberger wiederholte. Ohne zu wissen, ob der Täter überhaupt irgendwie im Zusammenhang mit Flüchtlingen steht. Schließlich war der zunächst verdächtigte Flüchtling aus Pakistan bereits vor der Sendung wieder freigelassen worden. Von Moderatorin Sandra Maischberger auf diesen Widerspruch angesprochen, entgegnete Söder, dass es ja “nicht nur um den einen Täter” gehe. Den freigelassenen ersten Verdächtigen bezeichnete er, obwohl der Mann ja offenbar nichts mit dem Anschlag zu tun hat, als “freigelassenen Täter”.
In Bezug auf die Zuwanderungspolitik sprach Söder von einem “Kontrollverlust”, den man beenden müsse. Man wisse ja gar nicht, wer im Land ist. Auf diese Aussagen angesprochen, reagierte Göring-Eckardt deutlich. Ohne die Hintergründe zu kennen, seien die Forderungen der CSU verfrüht und hätten “nichts mehr mit Besonnenheit zu tun.” Sie sei “sehr dafür”, über Sicherheit zu diskutieren. “Ich glaube nur, wir sollten zwei Dinge nicht tun. Wir sollten uns unsere Freiheit nicht von den Terroristen nehmen lassen und wir sollten uns unsere Menschlichkeit nicht von den Populisten nehmen lassen. Und beides gehört für mich zusammen.”
Bouillon: Flüchtlingsdiskussion unabhängig vom Täter
Söder war Göring-Eckardt daraufhin vor, es sich zu einfach zu machen: “Sie verweisen auf Betroffenheit und Besonnenheit, um damit zu erklären, dass es an Entschlossenheit mangelt.”
CDU-Politker Bouillon appelierte, dass man die Flüchtlingsdiskussion unabhängig vom Täter führen müsse. Außerdem habe man in der Zuwanderungspolitik stark aufgeholt. “Das weiß auch Herr Söder”, sagte Bouillon. Man sei Anfangs von der Flüchtlingswelle überrollt worden, aber kein anderer Staat hätte die Situation schneller regeln können. Auch Bayern sei hierbei vorbildlich gewesen.
Journalist Aust sah das anders, die Institutionen seien mit der Zuwanderungswelle überfordert gewesen. Das habe zu einer “Destabilisierung der Gesellschaft” geführt. In den vergangenen Monaten habe es viele Veränderungen gegeben, die Entwicklung nun wieder zurückzudrehen sei jedoch das eigentliche Problem. Shpiro fügte hinzu, dass Menschlichkeit und innere Sicherheit sich nicht ausschließen würden.
“Bürgerkrieg, der bis nach Europa reicht”
Söder hingegen will die Themen Sicherheit und Zuwanderung nicht getrennt betrachten. Beide Dinge würden zusammenhängen. Die Ausrüstung und Ausbildung in der Polizei zu verbessern, wie von Shpiro vorgeschlagen, sei das eine. Unkonrollierte Zuwanderung würde jedoch die Behörden überfordern.
Aust hält die Debatte über die Zuwanderung für berechtigt. Der islamistische Terrorismus sei Teil eines “innerislamischen Bürgerkrieges”, dessen Ausläufer bis nach Europa reichten. Die Flüchtlingsbewegungen hätten natürlich auch damit zu tun. Durch zu wenige Kontrollen würde man auch zu viele Wirtschaftsflüchtlinge ins Land lassen, was die Hilfe für tatsächliche Flüchtlinge erschwere.
Zum Abschluss verabschiedete sich Maischberger auf auffallend zweischneidige Weise von Söder. Er habe einen “guten Einblick in die Tonalität des Wahlkampfs” für die kommenden deutschen Bundestagswahlen gegeben.
(Red.)