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Machtlos wie einst Jimmy Carter? Obamas Nahost-Politik gescheitert

"Arabischer Frühling" entwickelte sich nicht im Sinne der Amerikaner.
"Arabischer Frühling" entwickelte sich nicht im Sinne der Amerikaner. ©EPA
Selten wirkte Barack Obama derart hilflos. Ohne echte Gegenstrategie muss der angeblich mächtigste Mann der Welt der Eskalation der Gewalt im Nahen Osten zusehen. Wieder einmal sind die USA zum Sündenbock geworden, gegen die sich offener Hass entlädt.

Dabei hat der US-Präsident gerade für Nahost hochfliegende Visionen von Frieden und Fortschritt in der Region gehegt. Doch dank kam der “Arabische Frühling” und entwickelte sich nicht unbedingt im Sinne der Amerikaner. Auch sonst ist einiges in Obamas Nahost-Politik schiefgelaufen.

Massive Vorwürfe der Republikaner

Schon versucht die Opposition, Obama als “zweiten Jimmy Carter” darzustellen, der Amerikaner im Ausland nicht beschützten kann. Carter war 1979/1980, als iranische Studenten über 50 Amerikaner ein Jahr lang in der US-Botschaft in Teheran als Geisel hielten, zur tragischen Figur im Weißen Haus geworden. “Zum ersten Mal seit Jimmy Carter ist ein US-Botschafter ermordet worden”, verlautet aus dem Lager von Obama-Herausforderer Mitt Romney – ein Alptraumargument für Obama.

Aber auch besonnene Kräfte betrachten die Nahost-Politik Obamas mit zunehmender Kritik. Die vier toten US-Diplomaten “sind ein brutaler Beweis, dass die Turbulenzen, die den Nahen Osten seit dem arabischen Frühling erschüttern, gefährliche Konsequenzen für die USA haben”, meint etwa Daniel Bymann von Brookings-Institut, einer Washingtoner Denkfabrik.

USA verliert an Einfluss

Tatsächlich hat der Wandel, der seit über einem Jahr über die Region hinwegfegt, die USA kalt erwischt. Weder Diplomaten-Depeschen noch CIA-Berichte hatten die Strategen in Washington vorgewarnt. Mit Hoffen und Bangen schauten Pentagon, State Department und Weißes Haus zu, wie etwa ihr jahrzehntelanger Freund und Vertrauter Hosni Mubarak in Kairo stürzte. Einfluss hatten sie keinen mehr.

Ziemlich unwohl war es für die meisten in Washington auch, als die Muslimbruderschaft in Kairo die Macht übernahm. Ausgesprochen enttäuscht und verbittert reagierte Obama darauf, dass Präsident Mohammed Mursi tagelang den Ausschreitungen praktisch freien Lauf ließ. Dabei waren die USA erst kürzlich über ihren Schatten gesprungen, hatten sich der neuen Führung demonstrativ angenähert . und sogar Milliarden-Hilfen in Aussicht gestellt. Eine Fehlkalkulation?

Situation wird unberechenbar

Noch stärker sind Enttäuschung und Verbitterung mit Blick auf Libyen. Immer wieder verweist Washington darauf, dass man seinerzeit den Libyern aktiv geholfen habe, sich vom Dauer-Diktator Muammar al-Gaddafi zu befreien. War auch das Engagement in Libyen eine strategischer Fehler?

Unberechenbar ist die Entwicklung in Nahost geworden. Unkalkulierbar sind die Risiken für die USA. Von Bagdad bis Tunis – in vielen Staaten herrscht derzeit eine brüchige Machtbalance zwischen unterschiedlichen oder gar verfeindeten Bevölkerungsgruppen, Parteien und religiösen Fraktionen. Mehr denn je ist die Region ein Pulverfass. In Syrien etwa schätzt Washington die Gefahren derart groß ein, das jedes militärische Eingreifen ausgeschlossen wird.

Kleinste Funken können neue anti-amerikanische Gewalt in der islamischen Welt entzünden. Die derzeitigen Ausschreitungen “zeigen den schwierigen Weg, der in den Beziehungen zwischen den USA und den Demokratien in der Geburtsphase bevorsteht”, meint Robert Danin vom Council on Foreign Relations, einer anderen Denkfabrik in Washington.

Obamas Aufrufe verhallten

Dabei hatte Obama zu Begin seiner Amtszeit den Nahen Osten ausdrücklich zur Chefsache erklärt. Unvergessen ist seine große “Rede an die muslimische Welt”, mit der er im Frühjahr 2009 in Kairo die Wende herbeiführen wollte. Vergeblich. Die islamische Welt reagierte eher kühl als begeistert. Ein wirklicher Durchbruch ist nie zustande gekommen.

Im Gegenteil: Die beiden Hauptkonflikte – der israelisch-palästinensische Konflikt und der Atomstreit mit Teheran – haben sich drastisch verschärft. Zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und Obama herrscht Eiszeit. Hier geht nichts mehr.

Noch schlimmer: Beim Streit mit dem Iran droht Israel mit Militärschlägen möglicherweise mitten in der heißen Phase des US-Wahlkampfes – womöglich ohne die USA vorab zu informieren.

Der Iran wiederum nutzt die unsichere Lage in Syrien und anderen Nahost-Ländern aus, um Wühlarbeit zu leisten und bestehende Konflikte zu schüren. “Der Arabische Frühling hat den amerikanisch-iranischen Konflikt erheblich schwieriger gemacht”, heißt es in einer Studie des Brookings Instituts. So kämen Gruppen und politische Fraktionen mit mehr oder minder offener anti-amerikanischer Stoßrichtung zum Zuge – mit unkalkulierbaren Risiken für die USA.

(APA)

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