Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat das Urteil gegen zwei Polizisten wegen schwerer Körperverletzung aufgehoben. Die beiden waren zu jeweils zehn Monaten bedingter Haft verurteilt worden: Ein 34-jähriger Mann musste nach einer Amtshandlung mit gerissener Lunge im Spital behandelt werden. Die Strafsache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, gab das OLG bekannt. Der Grund sind laut OLG Verfahrens- und daraus resultierende Feststellungsmängel.
Der Fall weist Parallelen zum Schicksal des im Wiener Stadtpark ums Leben gekommenen Cheibani Wague auf, spielte sich aber bereits zwei Monate vor dem Tod des Mauretaniers in der Innenstadt ab. Der 34-Jährige geriet am frühen Morgen des 18. Mai 2003 in eine Amtshandlung, nachdem seine Lebensgefährtin mit ihrem Auto gegen eine Einbahn gefahren war.
30 Minuten in Bauchlage fixiert
Da der Mann die Beamten andauernd beschimpfte und sich nicht ausweisen wollte, wurde er zu Boden gerungen, gefesselt und rund 30 Minuten in Bauchlage fixiert. Dabei machten der 34-Jährige und seine Freundin darauf aufmerksam, dass er Asthmatiker sei und keine Luft bekomme.
Der Mann – gegen ihn waren die Polizisten zuvor bereits mit Pfefferspray vorgegangen – dürfte in seiner Lage in Panik geraten sein. Er wollte sich mit aller Gewalt aus der für ihn bedrohlichen Situation befreien, wobei der rechte Lungenflügel riss. 1,4 Liter Blut drangen in seine rechte Brusthöhle.
Die Beamten bekamen davon nichts mit. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er unter Atemnot leidet, sagte einer der Beschuldigten bei der Hauptverhandlung am 13. April. Der Mann habe ja aus Liebeskräften geschrien und uns beschimpft. Die Fixierung sei lediglich eine Bewegungseinschränkung, kein zu Boden Drücken gewesen.
Lungenriss auf Grund der Fixierung
Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich stellte in der Hauptverhandlung klar, dass die Verletzung Ergebnis einer massiven, anhaltenden Bewegungseinschränkung und des Sich-Aufbäumens gegen die Fixierung war. Rechtsanwalt Klemens Mayer, der die Interessen des Opfers vertritt, verwies damals auf einen Erlass des Innenministeriums, in dem festgehalten ist, dass eine Fixierung in waagrechter Position nur kurzzeitig, in jedem Fall unter vier Minuten anhalten soll, da ansonsten die Gefahr von Atemnot besteht.
Gegen Ende der Amtshandlung war auch ein Notarzt anwesend. Dieser unternahm aber offenbar nichts und soll den Verletzten nicht ein Mal berührt haben. So schlecht kann es ihm nicht gehen, wenn er schreit, äußerte sich der Mediziner nach Angaben eines Polizisten.
Notarzt hatte Angst vor Pfefferspray
Angeblich hatte der Notarzt Angst um sich selbst, nachdem er erfahren hatte, dass ein Pfefferspray zum Einsatz gekommen war. Aus dem Gerichtsakt ging hervor, dass er befürchtete, dem Reizmittel ausgesetzt zu sein. Kommentar der Gerichtsmedizinerin Friedrich: Ich weiß nicht, warum er ihn nicht untersucht hat. Er hätte ihm in jedem Fall zumindest Fragen stellen müssen.
So aber wurde der 34-Jährige mit eingerissener Lunge ins nächste Wachzimmer gebracht. Dort war rein zufällig ein Amtsarzt anwesend, der ihn begutachtete und den Mann unverzüglich ins Krankenhaus bringen ließ.