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Lukaschenko in Wien: "Wir sind ein offenes Land"

Alexander Lukaschenko besuchte heute in Wien Bundespräsident Van der Bellen.
Alexander Lukaschenko besuchte heute in Wien Bundespräsident Van der Bellen. ©APA/HANS PUNZ
Weißrusslands Präsident Lukaschenko verteidigt bei seinem Besuch in Wien seinen autoritären Stil. Bundespräsident Van der Bellen liegt dabei besonders die Abschaffung der Todesstrafe am Herzen.
Lukaschenko besucht Wien
Erster EU-Besuch seit 2016

Der weißrussischen Präsident Alexander Lukaschenko hat in Wien seien autoritären Stil verteidigt. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen sagte er am Dienstag auf eine Journalistenfragen nach dem "autoritären Stil": "Sie haben völlig recht. Unsere Staatsführung ist unterschiedlich."

Lukaschenko verteidigt autoritären Stil

"Wenn Sie mich fragen, was besser ist? Wir würden kein gemeinsames Verständnis finden", erklärte Lukaschenko. In einer langen Antwort lobt er die Errungenschaften seines Landes. "Bevor Sie Bewertungen abgeben, fahren Sie lieber nach Weißrussland. Wir sind ein offenes Land." Bürger aus "etwa 80 Staaten haben visafreie Einreise in dieses autoritäre Belarus".

In Bezug auf die Menschenrechte fragte er: "Was stimmt damit nicht?" Er zeichnete ein Bild, wonach in seinem Land diesbezüglich vieles besser als etwa in Österreich sei. Es gebe in Weißrussland (Belarus) "Recht auf Leben" und "Recht auf Arbeit", also die Garantie, dass jeder Bürger arbeiten kann - auch im Ausland. Zudem erwähnte er das "Recht auf Bildung", die in seinem Land kostenlose sei. "In Österreich auch?" Jeder Weißrusse habe mittlere Schulbildung und mehr als die Hälfte erhielten kostenlosen Hochschulausbildung. "Wir haben auch ein kostenloses Gesundheitssystem. Nennen Sie mir nur ein einziges Land in der Europäischen Union, das auf derartige Errungenschaften stolz sein kann", so Lukaschenko. Auch bei den Massenmedien gebe es heute keine Einschränkungen mehr. Dies würden auch die Berichte über ihn beweisen, die selbst Vertreter im demokratischen Westen erschaudern lassen würden.

Todesstrafe nur mit Referendum absetzen

Angesprochen auf die Todesstrafe verwies Lukaschenko auf das Referendum von 1996, mit dem diese Strafmaßnahme eingeführt wurde. Laut Verfassung sei eine Abschaffung deswegen nur mit einem Referendum möglich. "Die EU fordert von uns die Abschaffung und dies ist uns nicht gleichgültig." Häufig würden aber Meinungsumfragen gemacht und an der Stimmung der Bevölkerung habe sich nichts geändert, daher lohne sich ein Referendum nicht. Das sei eben Demokratie.

Minsk habe aber eine Roadmap mit Brüssel vereinbart. "Wir bewegen uns in diese Richtung." Jede Eile wäre schädlich. Gleichzeitig sprach er die guten Beziehungen der EU zu den USA und China an, obwohl in diesen Ländern ebenfalls die Todesstrafe angewendet werde.

Van der Bellen schlägt Moratorium vor

Van der Bellen sagte, er verstehe das Argument des Referendums. Er schlug aber ein Moratorium vor, damit die Todesstrafe zumindest nicht zur Anwendung kommt. Der Bundespräsident erklärte auch, dass Todesurteile nur "sehr selten und bei wirklichen Kapitalverbrechen" vollstreckt würden, stellte aber klar, dass dies nicht als Unterstützung für die Todesstrafe verstanden werden solle. Er würde sich freuen, wenn Belarus Mitglied des Europarats werden würde, so Van der Bellen.

Dazu sagte Lukaschenko: "Wenn sie uns aufnehmen, bedanken wir uns. Wenn nicht, werden wir dies duldig ertragen."

Dank von Van der Bellen

Van der Bellen dankte dem weißrussischen Staatsoberhaupt für seine Unterstützung für die Gedenkstätte in Maly Trostenez. In diesem Ort seien während des Zweiten Weltkriegs 10.000 Menschen aus Österreich von den Nazis ermordet worden. "Nur in Auschwitz wurden mehr Österreicher umgebracht."

Lukaschenko wiederum dankte Van der Bellen dafür, dass jedes Jahr Tschernobyl-Kinder zu einem mehrwöchigen Urlaub nach Österreich eingeladen werden. Er lobte die Initiative für Kinder aus Gebieten in Weißrussland, die beim Reaktorunfall in Tschernobyl im Jahr 1986 besonders stark verstrahlt wurden. Diese Wohltätigkeit, die schon seit 25 Jahren umgesetzt werde, sei eine "wichtige Komponente".

Gemeinsamkeiten sahen die Staatsoberhäupter etwa in der geopolitischen Rolle ihrer Länder. Lukaschenko betonte: "Wir schätzen die Wiener Bemühungen, Brücken zu schlagen und Spannungen abzubauen." Minsk verfolge die gleichen Ziele. Van der Bellen lobte die Rolle von Minsk als Gastgeber der Ukraine-Verhandlungen und der gleichnamigen Friedensvereinbarung. Hier seien Leute am Werk, "die etwas verstehen von Brückenbauen". "Belarus hat sich sehr verdient gemacht. Österreich unterstützt diese Bemühungen, auch im Rahmen der OSZE."

Belarus steht hinter Klimainitiativen

Weißrussland, so sagte Lukaschenko, wiederum unterstütze die Bewerbung Österreichs für einen nichtständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat 2027/28 sowie auch die Klimainitiativen Van der Bellens.

Lukaschenko ließ es sich nicht nehmen, Van der Bellen persönlich anzusprechen: "Ich möchte sagen, Herr Präsident, vielleicht nicht heute, morgen aber ganz sicher übermorgen werden Sie stolz sein, dass Sie einst nach Belarus gefahren sind, sich dieses Land angesehen haben, sich davon überzeugt haben, dass dieser Staat Europa nicht fremd ist. Und Sie dort gesagt haben, dass in diesem Land Menschen mit Würde leben", betonte Lukaschenko in seinem Einleitungsstatement. "Sie werden das nie bedauern. Belarus ist das Zentrum Europas, das ist ein europäisches Land und seine Politik ist auf eine ausschließlich friedliche und wechselseitig nützliche Nachbarschaft nicht nur mit Russland ausgerichtet, sondern auch mit der Ukraine, Polen, den Staaten des Baltikums und auch mit alten, bewährten Freunden wie Ihr herrlicher und reicher Staat."

Geschäftsleute sind einverstanden mit "Diktatur"

Der weißrussische Präsident hat am Dienstagabend jedoch bei der Eröffnung eines österreichisch-weißrussischen Wirtschaftsforums die Medien kritisiert. Diese würden nur "Klischees" wie Todesstrafe und Menschenrechte ansprechen. In Weißrussland tätige Unternehmer aus Österreich dagegen "haben mir niemals Vorwürfe gemacht in Bezug auf Autoritarismus, Diktatur und Menschenrechte".

Lukaschenko sagte in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in Wien rhetorisch, "fragen Sie die Geschäftsleute, ob sie einverstanden sind mit der 'Diktatur'?" Das bilaterale Handelsvolumen von 200 Millionen Euro sei weit unter seinem Potenzial und eine "Schande". Wenn österreichische Wirtschaftstreibende in Weißrussland tätig seien und Weißrussen gleichwertig wie Österreicher behandelten, dann würde er "sie mit jeder denkbaren Maßnahmen unterstützen, sogar mit Waffengewalt verteidigen." Weißrussland sei ein verlässlicher Partner. "Wir werden niemals einen Vertrag brechen". Und er warnte: "Es ist nicht nötig, Geldkoffer mit Bestechungsgeld vorbeizubringen." Wer das mache, werde im Gefängnis sitzen. "Wir erlauben keine Korruption."

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der Lukaschenko zuvor schon im Parlament getroffen hatte, nannte Weißrussland beim Wirtschaftsforum ein "Tor zum eurasischen Raum" für Österreich. Viele Investoren hätten sich nach der Wende wieder zurückgezogen, nicht aber die österreichischen. Als Potenzial der Kooperation nannte er die Digitalisierung, Kampf gegen Cyberkriminalität und gegen Klimaveränderung.

Lukaschenko traf Sebastian Kurz

Sobotka brachte die Gründung einer Freundschaftsgruppe im österreichischen Parlament als Möglichkeit zur Intensivierung des Dialogs ins Gespräch. Als er dies gegenüber Lukaschenko beim Verlassen der Wirtschaftskammer noch einmal artikulierte, reagierte Lukaschenko laut Beobachtern eher verhalten. Er lud ihn gleichzeitig nach Minsk ein. Sobotka: "Österreich und Belarus pflegen nicht erst seit der Katastrophe von Tschernobyl intensive zwischenmenschliche Beziehungen und sind durch Kooperationen auf wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene verbunden."

Lukaschenko traf im Anschluss ÖVP-Chef Sebastian Kurz zu einem informellen Arbeitsgespräch. Über den Ex-Kanzler sagte der Präsident gegenüber Sobotka: "Der Vorzug von Kurz ist nicht nur das Alter, er ist auch ein kluger Mensch." Er habe aber auch viele Neider in Europa, meinte der weißrussische Staatschef.

Adaptiertes "Damenprogramm" für Sohn "Kolja"

Wie bei vielen Auslandsreisen wurde der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko am Montag und Dienstag auch in Wien nicht von seiner Ehefrau, sondern von Sohn Nikolaj begleitet. Für den mittlerweile 15 Jahre alten "Kolja", über dessen mögliche Rolle als Nachfolger seines Vaters in der Vergangenheit wiederholt spekuliert wurde, gab es am Dienstag ein touristisches Besuchsprogramm.

Nachdem weißrussische Medien den Sohn des Staatsoberhaupts am Montag bei einer Zeremonie beim Heldendenkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz beobachtet haben, ließ sich der hochgewachsene Teenager am Dienstag bei öffentlichen Auftritten seines Vaters in Wien zunächst nicht blicken. Laut APA-Informationen weilte Nikolaj Lukaschenko währenddessen in der Wiener Innenstadt und absolvierte ein touristisches Programm, das an ein bei Staatsbesuchen übliches Programm für First Ladies erinnerte. Als Stationen wurden unter anderem der Stephansdom und das Kunsthistorische Museum genannt.

Seit er als Kind seinen Vater wiederholt auch in militärischer Uniform bei offiziellen Auftritten begleitete, gilt der 2004 geborene dritte Sohn Lukaschenkos als Kuriosum der weißrussischen Politik. Immer wieder war darüber spekuliert worden, dass er seinem Vater gar als Staatsoberhaupt nachfolgen könnte. Mittlerweile gilt Nikolajs Halbbruder Viktor als wahrscheinlicherer, möglicher Nachfolger. Dieser 1975 geborene älteste Sohn von Alexander Lukaschenko fungiert derzeit als Assistent seines Vaters in der weißrussischen Präsidentschaftskanzlei und ist für Fragen der nationalen Sicherheit zuständig.

(APA/red)

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