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Ludwig II. - Kritik zum Film

Bayerns einstiger Regent Ludwig II. gehört zu jenen historischen Figuren, die wie seine Cousine Sisi seit ihrem Tode verklärt, nachgezeichnet, verkitscht und so in Untotenmanier am Leben erhalten werden: Im Falle des bayerischen Schlösserbauers setzte Luchino Visconti 1972 mit seinem "Ludwig II." Maßstäbe - und hinterließ Schäden an Parkett, Spiegeln und Stoffen an den Originalschauplätzen. 40 Jahre später ließ die Schlösserverwaltung nun wieder eine Großproduktion in die heiligen Hallen zu. Alle Spielzeiten auf einen Blick

1864 wird der bayerische Prinz Ludwig (Sabin Tambrea) mit jungfräulichen 18 Jahren nach dem Tod seines Vaters König von Bayern. Der androgyne, verträumte und Musik liebende Jüngling entspricht in keiner Weise den Pflichten, die seine Macht mit sich bringt. Er holt entgegen dem Rat seiner Minister (allen voran Peter Simonischek als konservativ-exaltierter Ludwig Freiherr von der Pfordten) den verfemten Richard Wagner (Edgar Selge) nach München, lässt Schulkinder am Musikinstrument statt der Waffe trainieren und will so seine Untertanen veredeln. Mit diesen Träumen muss der Monarch in Zeiten der militärischen Konfrontationen der deutschen Länder und der schließlich 1871 folgenden Einigung des Reiches jedoch scheitern.

Am Ende rettet sich der von Männern angezogene Kunstliebhaber in jenen Bauwahn, der Deutschland heute Touristenmagnete wie Schloss Neuschwanstein beschert. Den alternden Ludwig stellt nach einem großer Zeitsprung mit Tambreas Stimme Sebastian Schipper dar. Als der schon längst nicht mehr im Tagesgeschäft aktive König 1886 schließlich entmündigt wird, kommt es wenige Tage später zum Zwischenfall, bei dem er in den Wellen des Starnberger Sees ertrinkt.

Ludwig II. ab Dezember 2012 im Kino

Die große Entdeckung des Films ist zweifelsohne der 27-jährige Sabin Tambrea, der dem “Sherlock”-Hauptdarsteller Benedict Cumberbatch zum Verwechseln ähnelt und doch frappant an die frühen Porträts Ludwigs II. erinnert. Er porträtiert den Pazifisten auf dem Thron in aller Tragik eines überspannten Zeitalters als androgynes Wesen zwischen Traum und Wirklichkeit, Wünschen und Pflichten. Bisweilen erinnert Tambreas Ludwig an einen Norman Bates im Krönungsnerz, wenn er in einer genialischen Szene vor der Krönung in psychopathischer Manier sich selbst im Spiegel küsst – die wohl erotischste Szene im Film. In der Darstellerführung ist “Ludwig II.” mithin oft dem exaltierten Duktus des Regietheaters näher denn der opernhaft-monumentalen Inszenierung Viscontis, kommt weniger lyrisch, weniger ätherisch daher.

Um Tambrea herum gruppieren sich zahlreiche schauspielerische Hochkaräter deutscher Zunge, so Hannah Herzsprung als Sisi oder Tom Schilling, der als labiler Ludwig-Bruder Otto in die Fußstapfen von Klaus Kinski tritt, der den zunehmend geistig Umnachteten 1954 verkörperte. Beglückend ist dabei vornehmlich die Darstellung von Edgar Selge, der als klein gewachsener Wagner zwar kaum sächselt, aber umso giftzwergiger ein famoses Porträt des egozentrischen Musikers zeichnet.

16 Million Euro für optische Umsetzung

Das Regieduo Peter Sehr und Marie Noëlle, die zuletzt bei “Die Frau des Anarchisten” gemeinsame Erfahrungen sammelten, hat sich für die optische Umsetzung ihres 16 Mio. Euro teuren Großprojekts den österreichischen Kameramann Christian Berg an die Seite geholt, der mit seiner Arbeit für Michael Hanekes “Das weiße Band” für den Oscar nominiert war. Mit majestätischer Kameraführung entwirft Berg ein optisch beeindruckendes Farbkonzept, in dem Licht die tragende Rolle spielt, um die detailgetreue Ausstattung des Kostümfilmes in Szene zu setzen.

Beeindruckend mit wuchtiger Opulenz und den über weite Strecken guten Darstellern, krankt der Film zugleich an einer Grundproblematik, die in der Wahl des Subjekts begründet ist. Ludwig bleibt auch hier als Figur erstaunlich uninteressant – ist stets Opfer, Getriebener, was die filmische Aufgabe eines aktiven Protagonisten verunmöglicht und damit das 136 Minuten lange Werk mit der Zeit auch als solches erscheinen lässt.

(APA)

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