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Ältestes Zeugnis jüdischen Lebens in Österreich entdeckt

Forscher der Universität Wien identifizierten unter den Fundmaterialien eines antiken Gräberfeldes in Halbturn im Burgenland einen Sensationsfund: Einem römischen Kindergrab aus dem 3. Jahrhundert nach Christus entstammt ein Amulett, das mit einer jüdischen Gebetsformel beschriftet ist.

Es handle sich um das älteste Zeugnis jüdischen Lebens auf heute österreichischem Boden, berichtete das Projektteam bei der Präsentation des 2006 entdeckten, beschrifteten Goldblechs am Dienstag in Wien.

Die Inschrift stellt eine griechische Umschrift einer jüdischen Gebetsformel aus dem Alten Testament (5. Buch Mose 6,4) dar und lautet übersetzt: “Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer”. Das Amulett gilt damit als ein Hinweis, dass bereits in der römischen Kaiserzeit Menschen jüdischen Glaubens in unserem Raum lebten. Als bisher frühesten Zeugnisse jüdischer Präsenz innerhalb der heutigen Grenzen Österreichs galten mittelalterliche Briefe aus dem 9. Jahrhundert nach Christus, berichtete Hans Taeuber, Vorstand des Instituts für Alte Geschichte der Uni Wien.

Das Kind wurde in einem von rund 300 Gräbern eines römischen Friedhofs bestattet, der aus dem 2. bis 5. Jahrhundert nach Christus stammt und an einen römischen Gutshof angeschlossen war. Die 1986 entdeckte Grabstätte im Seewinkel, rund 20 Kilometer von Carnuntum entfernt, wurde zwischen 1988 und 2002 von einem Team um den damaligen Projektleiter Falko Daim, derzeit Generaldirektor des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz, vollständig ausgegraben. Insgesamt wurden mehr als 10.000 Einzelfunde, darunter vor allem Glasstücke, Keramikscherben und Metallfunde ausgewertet.

Für die Forscher sehr überraschend war die “überdurchschnittliche” Größe des Kindergrabes, berichtete die Amulett-Finderin und wissenschaftliche Bearbeiterin Nives Doneus vom Institut für Ur- und Frühgeschichte. Im “Grab 147” entdeckten die Forscher neben anderen Funden wie etwa einer abgenutzten Münze sowie Glas- und Tongefäßen eine silberne Amulettkapsel im Halsbereich des ein bis zwei Jahre alten Kindes. In dem Anhänger befand sich, wie erst 2006 entdeckt wurde, der 2,2 Zentimeter lange, eingerollte und auf Griechisch beschriftete Goldblechstreifen.

Der Anhänger diente laut Armin Lange vom Institut für Judaistik als Schutzamulett und sollte Unheil, etwa Krankheiten, und Dämonen abwehren. Ähnliche Objekte seien im gesamten Raum des Römischen Reiches zu finden und auch aus Carnuntum bekannt.

Im pannonischen Raum waren zu der damaligen Zeit verschiedenste Glaubensrichtungen vertreten. “Religion war eine Privatsache”, so Daim. Der Schreiber des Amuletts ist laut Lange ein Jude. Ob aber das bestattete Kind aus einer jüdischen Familie stamme, ist laut der Forscher offen. Auch wenn noch nicht die Quelle des Rohstoffes für das Amulett geklärt sei: “Geht man davon aus, dass eine römische Goldmünze für die Herstellung verwendet wurde, so entspricht das einem Monatslohn eines römischen Soldaten”, so Taeuber.

Spätestens seit dem 3. Jahrhundert vor Christus siedelten Juden laut Lange in allen Teilen der antiken Welt. Insbesondere nach dem sogenannten zweiten jüdischen Krieg gegen das Römische Reich verkaufte das siegreiche Rom Juden in großer Zahl als Sklaven in alle Teile des Weltreichs. So oder durch freiwillige Migration sind so dem Forscher zufolge Juden auch in das heutige Österreich gekommen.

Seit Anfang Jänner gehört das Amulett zu den Beständen des Burgenländischen Landesmuseums, das Partner bei den Projektarbeiten war. Das Amulett wird im Rahmen der Ausstellung “Die Bernsteinstraße – Evolution einer Handelsroute” im Landesmuseum in Eisenstadt ab 11. April zu besichtigen sein, berichtete Museums-Chef Josef Tiefenbach. Eine Publikation der Forscherin Doneus über die Ausgrabungen und Auswertungen der Fundstücke des Gräberfeldes in Halbturn soll noch heuer erscheinen.

Sonderausstellung im Landesmuseum Burgenland
“Die Bernsteinstraße – Evolution einer Handelsroute”
11. April bis 11. November 2008

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