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Lokalaugenschein beim Megaprojekt Brennerbasistunnel

Mehr als 40 von 60 Erkundungsstollen-Kilometern zwischen Innsbruck und Aicha wurden bereits ausgebrochen.
Mehr als 40 von 60 Erkundungsstollen-Kilometern zwischen Innsbruck und Aicha wurden bereits ausgebrochen. ©APA/BBT SE
"Beim Brennerbasistunnel gibt es kein Zurück mehr": 24 Stunden am Tag wird von 2.800 Personen am Mammutprojekt im Ahrental bei Innsbruck gearbeitet. Die Fortschritte sind beachtlich, wie der Lokalaugenschein zeigt.

Das Mammutprojekt Brennerbasistunnel mit 64 unterirdischen Tunnelkilometern nimmt beharrlich Gestalt an. Mehr als 100 von 230 dieser Kilometer wurden bereits ausgebrochen. Eine Maßarbeit der besonderen Dimension, die den Beteiligten alles abverlangt. Hohe Tunnelbau-Kunst im Verborgenen, die 2028 an ihr glückliches Ende kommen soll.

Megaprojekt im Berg schon fast überm Berg

Hektisches Treiben schaut anders aus. Wenig deutet hier, im Erkundungsstollen des Brennerbasistunnels im Ahrental südlich von Innsbruck beim APA-Lokalaugenschein darauf hin, dass hier gerade Tunnel-Geschichte geschrieben, dass Hand an die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt gelegt wird. Doch die Dimension verbirgt sich hinter der relativen (Arbeits)-Ruhe - und in der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Und Kraft ist hier wahrlich vonnöten, pure Schaffenskraft. Für Hektik ist kein Platz unter Tage, Koordination und Abgeklärtheit gepaart mit Leidenschaft sind Trumpf. Man weiß, was zu tun ist.

Ein Highway der besonderen Art: Der Transportwagen der Brennerbasistunel Gesellschaft (BBT SE) pirscht sich voran auf den bereits ausgebrochenen Kilometern des Erkundungsstollens. 15 Kilometer geradeaus bis zum "Prachtstück" und ganzen Stolz der Tunnelbauer - der 200 Meter langen offenen Gripper Tunnelbohrmaschine (TBM). Kleinere und größere Schlaglöcher "lupfen" das Fahrzeug mitunter in die Höhe, vorbei an abgestellten Baumaschinen und Lieferwägen.

Bauarbeiten sollen 2028 beendet sein

Konrad Bergmeister, seit 2006 Vorstand der Brennerbasistunnel Gesellschaft, ist in seinem abwägenden Erzähl-Element. Der stets ruhig wirkende studierte Bauingenieur und Doktor der technischen Wissenschaften sowie der Ethnologie, Kunstgeschichte und Philosophie ist der "Mister BBT". Der Tunnel ist sein Lebensprojekt - mehr als die Hälfte davon hat er im besten Falle schon hinter sich gebracht. Denn 2028 soll der Basistunnel fertig sein. Bergmeister und der BBT befinden sich zwar noch nicht im Zieleinlauf, aber doch schon auf einer der Finalrunden.

Der Erkundungsstollen liegt mittig zwischen den zwei Haupttunnelröhren, zwölf Meter darunter. Er ist mit sechs Metern Durchmesser kleiner als die 8,1 Meter breiten Tunnelröhren. Mehr als 40 von 60 Erkundungsstollen-Kilometern zwischen Innsbruck und Aicha wurden bereits ausgebrochen. Der Erkundungssollen ist etwas besonders, so Bergmeister: "Er ist ein Erkundungs- und Servicestollen und ermöglicht ein von den Haupttunellröhren völlig entkoppeltes System". Die Arbeiten am Erkundungsstollen liefern Aufschluss über die Beschaffenheit des Gebirges. Dadurch sollen Baukosten und -zeiten minimiert werden. Auch das Bergwasser muss nicht in den Hauptröhren drainagiert werden, sondern kann in den Erkundungsstollen abgeleitet werden. Es ist ein Stollen ganz nach Bergmeisters Geschmack - nach jenem des umfassenden, ganzheitlichen Denkers.

Bis zu 15 Meter Gestein pro Tag

Angekommen bei der offenen Tunnelbohrmaschine. Eine Operation am offenen Gebirgs-Herzen. Die Temperatur ist inzwischen angestiegen (mehr als 28 Grad werden es aber dank eines Kühlsystems trotzdem nicht), die "Crème de la crème" des Tunnelbaus, rund 15 Personen, schwirren umher - inmitten von Kabeln, Maschinen, Gerüsten, Eisenstangen. Am rechten Tunnelrand das Ergebnis der Arbeit: Ein Förderband mit dem herausgebrochenen Gestein, unaufhörlich am Laufen. Mit einer Kraft von 1.000 Tonnen drückt die Maschine gegen das Gebirge und "schält es heraus", so Bergmeister. Fünf Umdrehungen pro Minute, rund 50 Millimeter herausgebrochener Gesteins-Fortschritt in derselben Zeit. Schritt für Schritt auf dem Weg zum großen Tunnel-Erfolg. "Pro Tag werden zehn bis 15 Meter herausgebrochen", erklärt der BBT-Vorstand mit Bauhelm und entsprechender Sicherheitsmontur. Außer an jenem denkwürdigen Tag, an dem man einen "Weltrekord" aufgestellt habe und mit 61 Metern die gewöhnlichen Ergebnisse weit überflügelte.

Inmitten all des technischen Geräts: Ein hochmoderner Rettungscontainer. 20 Personen hätten dort im Notfall Platz und könnten 24 Stunden lang ausharren, so Bergmeister.

2.800 Personen im Schichteinsatz

Die Rückfahrt wird zur Bilanzziehung: Neben dem Erkundungsstollen wurden bereits 30 Kilometer Haupttunnel und ebenso 30 Kilometer an Zufahrts- und Logistikstollen ausgebrochen, rekapituliert Bergmeister. In drei Wochen erfolgt unter anderem der Tunnelanschlag für die Haupttunel beim Baulos "Pfons-Brenner". "Dann sind alle Haupttunnel bei diesem Baulos zwischen Norden und Süden in Bau", sagt der Vorstand sichtlich zufrieden.

Rund 2.800 Personen arbeiten an dem Megraprojekt. Rund 800 sind pro Schicht im Einsatz. 24 Stunden am Tag, sieben Tage pro Woche wird mit wenigen Ausnahmen fernab jeglichen Tageslichts gearbeitet. Mitarbeiter aus elf Nationen, darunter auch Geologen, sind vertreten. "Es ist ein kleines Europa, das sich trifft", lächelt Bergmeister und wird sogleich wieder ernst: "Beim Brennerbasistunnel gibt es kein Zurück mehr". Sagt es und schon erscheint das buchstäbliche Licht am Ende des Tunnels.

(APA/Red)

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