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Lockerung des deutschen Sparkurses

Aus Rücksicht auf die Konjunktur will der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder den Sparkurs lockern. "Wir werden den Konsolidierungsprozess zeitlich strecken müssen."

Das durch die Euro-Stabilitätskriterien vorgegebene Konsolidierungsziel gebe die Regierung aber nicht auf, sagte er dem „Handelsblatt“ (Donnerstagausgabe). „Wir werden den Konsolidierungsprozess nur zeitlich strecken müssen.“ Zugleich nahm Schröder seinen Finanzminister Hans Eichel gegen den Vorwurf in Schutz, der umstrittene Entwurf für den Bundeshaushalt 2004 sei ein Offenbarungseid.

Die Prognosen zu Konjunktur und Arbeitsmarkt, die die Basis für den Etat bilden, seien „naturgemäß mit Unwägbarkeiten verbunden“, unterstrich der Kanzler. Noch vor kurzer Zeit aufgestellte pessimistische Vorhersagen würden inzwischen allmählich nach oben korrigiert. Die Opposition hält Eichel verfassungswidrige Planungen vor, weil er von illusorischen Annahmen ausgehe.

Die Tendenzen für einen Konjunkturaufschwung wolle die Bundesregierung unterstützen, sagte Schröder. Dies geschehe durch die Umsetzung der Reformagenda 2010 und das Vorziehen der Steuerreformstufe 2005 auf 2004. Der Kanzler machte erneut klar, dass er die Defizitvorgabe des EU-Stabilitätspakts kommendes Jahr nicht um jeden Preis schaffen wolle.

„Natürlich will ich, dass Deutschland den Vertrag einhält. Aber in der jetzigen Situation sollten wir uns ebenso wie die angelsächsischen und französischen Ökonomen die Frage stellen, ob ein vorübergehend höheres Defizit nicht besser ist als eine Konsolidierung, die jede Aufschwungtendenz lähmt.“ Befürworter eines harten Sparkurses spielten in Deutschland “übrigens eine Sonderrolle“.

Das Staatsdefizit der Bundesrepublik lag 2002 weit über den im Maastricht-Vertrag erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Dieses Jahr wird Deutschland die Marke ebenfalls nicht halten. Finanzwissenschaftler sehen auch für kommendes Jahr ein Überschreiten der Grenze. Schröder hält eine Erfüllung der Defizitvorgaben trotzdem für möglich. Wenn das rot-grüne Ziel von zwei Prozent Wachstum erreicht werde und der Bundesrat Strukturreformen zustimme, bleibe Deutschland unter drei Prozent.

„Man muss den Vertrag sehr genau lesen“, erklärte Schröder. Dort sei „von außergewöhnlichen und besonderen Umständen die Rede“. Es müsse gefragt werden, ob dies momentan für Deutschland gelte. „Außergewöhnlich“ treffe vielleicht nicht zu. Wenn aber die größte Volkswirtschaft der Euro-Zone drei Jahre lang in Folge nicht wachse, sondern stagniere, sei das zumindest eine Besonderheit. „Deshalb sind die im Vertrag vorgesehenen Sanktionen auch nicht zwangsläufig.“

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