AA

LKW-Sicherheitsgipfel in Wien: Offenbar kein verpflichtender Abbiegeassistent

Es dürfte zu keinem verpflichtenden Abbiegeassistenden für LKW kommen.
Es dürfte zu keinem verpflichtenden Abbiegeassistenden für LKW kommen. ©APA/Roland Schlager
Am Dienstag fand im Verkehrsministerium der LKW-Sicherheitsgipfel statt. Offenbar kommt es zu keiner Einführung von verpflichtenden Abbiegeassistenten.

Nach dem Lkw-Sicherheitsgipfel am Dienstag im Verkehrsministerium haben mehrere Teilnehmer vor einer Pressekonferenz von Ressortchef Norbert Hofer (FPÖ) durchklingen lassen, dass es zu keiner Einführung von verpflichtenden Abbiegeassistenten bei Schwerfahrzeugen kommt. Die Wiener Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) betonte etwa, der Gipfel “war nett, aber nett ist nicht genug”.

Helge Fahrnberger, Initiator der Petition zur Einführung eines verpflichtenden Lkw-Abbiegeassistenten, meinte: “Ich bin erschüttert, die schlimmsten Befürchtungen sind übertroffen worden”. Der nächste tote Fußgänger, das nächste tote Schulkind gehe auf Minister Hofer, so Fahrnberger. Die österreichischen Nutzfahrzeugimporteure und der Fachverband der Fahrzeugindustrie begrüßten dagegen in einer Aussendung die Resultate des Gipfels.

“Freiwillig reicht nicht”

Die am Dienstag nach dem Lkw-Sicherheitsgipfel präsentierten Maßnahmen seien “höchstens ein kleiner Schritt, dem noch weitere und vor allem wirksamere Schritte für mehr Sicherheit folgen müssen”, betonte der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) in einer Aussendung. Um die Sicht im Kreuzungsbereich zu verbessern, sei das Halte- und Parkverbot vor Schutzwegen von derzeit fünf auf zehn Meter auszudehnen.

Wichtig sei die Schaffung gesetzlicher Grundlagen zur Umsetzung von einem innerstädtischen Fahrverbot für gefährliche Lkw nach Londoner Vorbild, forderte der VCÖ. Österreichs Regierung und EU-Abgeordnete könnten durch ihren Einsatz erreichen, dass die verpflichtende Ausrüstung von neuen Lkw mit Abbiegeassistenten früher als derzeit geplant in Kraft tritt. Freiwilligkeit bei der Nachrüstung reiche nicht aus.

ÖAMTC begrüßt Kampagnen und Förderungen um Toten Winkel bewusst zu machen

Helge Fahrnberger, Initiator einer Petition zur raschen Einführung der verpflichtenden Abbiegeassistenten, widersprach gegenüber der APA dem Argument, dass die Technik noch nicht ausgereift sei. Der Marktführer bei Assistenzsystemen, Mobile Eye, habe bereits weltweit drei Millionen Fahrzeuge ausgerüstet. Von “Unausgereiftheit der Technik kann da keine Rede sein”.

Der ÖAMTC begrüßte den ganzheitlichen Ansatz, den Toten Winkel unter anderem mit Hilfe von Kampagnen, Förderungen und Verkehrssicherheitsprogrammen bewusst zu machen. Präsentiert wurde auch die Absicht, zusätzliche Spiegel im Ampelbereich anzubringen. Diese sollen Lkw-Fahrern helfen, den Toten Winkel vor und neben ihrem Fahrzeug besser einzusehen. Ob die Spiegel tatsächlich helfen, hänge jedoch von der Position des Lkw, der Witterung und den Lichtverhältnissen ab, betonte der Club.

“Ein viel besseres Instrument zur Vermeidung von Unfällen sind elektronische Abbiege-Assistenten. Wir sprechen uns daher weiterhin für eine rasche Verpflichtung aus”, wurde ÖAMTC-Direktor Oliver Schmerold in einer Aussendung zitiert. “Um nicht bloß auf europäische Richtlinien zu warten, kann es lokale Abbiege- und Fahrverbote geben. Von diesen Verboten wären nur Fahrzeuge ausgenommen, die entsprechend ausgerüstet sind.”

“Jede Maßnahme, die der Erhöhung der Verkehrssicherheit dient, ist wichtig und zu begrüßen. Aber wir müssen klar festhalten: Die Technik alleine ist nicht die Lösung”, meinte Franz Weinberger, Sprecher der österreichischen Nutzfahrzeugimporteure. “Wir benötigen jedenfalls einen breiten Ansatz und begrüßen, dass Bundesminister Norbert Hofer Weitsichtigkeit beweist, um auch den Produktionsstandort abzusichern”, sagte Andreas Gaggl, Geschäftsführer des Fachverbandes der Fahrzeugindustrie in der Wirtschaftskammer (WKÖ). Es sei positiv zu bewerten, dass sich die Politik in diesem Fall für positive Anreize ausspreche. Die Nutzfahrzeugimporteure und der Fachverband würden den nachträglichen Einbau von Kamerasystemen auf Kundenwunsch begrüßen.

Man werde Problematik vorerst mit kurzfristig wirksamen Maßnahmen angehen

“Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir das System der Assistenzspiegel vermehrt einsetzen wollen – ein Abbiegeassistent außerhalb des Fahrzeuges.” Geldmittel von fünf Millionen Euro werde es beispielsweise für die Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern geben. Auf Asfinag-Flächen sollten eigene Parkplätze mit Schablonen für die optimierte Einstellung von Lkw-Rückspiegeln eingerichtet werden. Dies werde man über die Mineralölfirmen auch für Tankstellen propagieren. Weiters werde es eine eigene Informationskampagne zum “Toten Winkel” für die Öffentlichkeit geben.

Hafenecker betonte, dass Österreich derzeit die elektronischen Abbiegeassistenten nicht verpflichtend machen könne. “Es gibt noch keine einheitlichen Kriterien für nachrüstbare Systeme. (…) Die technischen Spezifikationen aufseiten der EU (für die Abbiegeassistenten; Anm.) liegen noch nicht vor”, sagte der Nationalratsabgeordnete. Die derzeitigen Systeme führten noch oft zu Fehlalarm. “Die Sensoren können nicht unterscheiden zwischen einem geparkten Fahrrad, einem Hydranten oder einem Menschen.” Die EU will die Abbiegeassistenten mit 2024 verpflichtend machen. Hafenecker will Druck auf die EU entfalten, damit die Spezifikationen früher vorliegen und eine verpflichtende Umsetzung der geplanten Maßnahme auch früher erfolgen kann.

ÖVP-Verkehrssprecher Ottenschläger wiederum nannte mehrere geplante legistische Maßnahmen: “Wir wollen die Kriterien für eine ‘gefährliche Kreuzung’ definieren.” Solche Kreuzungen sollten dann zum Beispiel über die eventuelle Verlegung von Fußgängerübergängen, die zusätzlichen Spiegel oder – so das Risiko nicht ausreichend minimiert werden könne – durch Rechtsabbiegeverbote entschärft werden.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • LKW-Sicherheitsgipfel in Wien: Offenbar kein verpflichtender Abbiegeassistent
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen