Teufelskreis brechen: Spitäler sollen attraktive Arbeitgeber bleiben
Der Hilferuf der Landeskrankenhäuser habe gezeigt, wie groß die Solidarität unter den Vorarlberger Ärzten sei, wenn es um die Versorgung der Patientinnen gehe, so die Sprecher der Spitalsärzte in Vorarlberg.
Rasche und wirkungsvolle Maßnahmen nötig
"Wir alle können stolz sein auf den Zusammenhalt in der Ärzteschaft und auch auf die gute Kooperation zwischen den Landeskrankenhäusern und der Ärztekammer", betonen sie. "Diese Notsituation zeigt uns aber auch, dass wir rasche und wirkungsvolle Maßnahmen brauchen, damit unsere Krankenhäuser weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber bleiben. Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen und ein wettbewerbsfähiges Gehaltsmodell, damit unsere Spitalsärztinnen nicht abwandern."
Ärzte mit großem Engagement dabei
Primaria Ruth Krumpholz, Anästhesistin Claudia Riedlinger und Chirurg Hermann Blaßnig sind Spitalsärzte mit Leidenschaft. Gemeinsam bringen sie es auf über 100 Dienstjahre im Krankenhaus, gemeinsam haben sie auch die Bereitschaft, sich voll einzusetzen in ihrem Beruf. Was für die Arbeit im Krankenhaus spricht: eine hohe Qualität der medizinischen Tätigkeiten, die heimischen Krankenhäuser sind modern ausgestattet und die Ärztinnen und Ärzte machen ihre Arbeit gerne und mit großem Engagement.
"Die Behandlung vieler Erkrankungen und Verletzungsfolgen erfordert die komplexe Infrastruktur der Krankenhäuser", erklärt Blaßnig. "Das heißt, es gibt in diesen Fällen keine Alternative zur Spitalsbehandlung. Wenn allerdings das notwendige Personal nicht mehr ausreichend vorhanden ist, wären die Patientinnen auf eine Versorgung außerhalb Vorarlbergs angewiesen."
Pressegespräch zum Nachsehen
48 Stunden pro Woche sind normal
Die Arbeitszeiten der Spitalsärzte wurden vor einigen Jahren deutlich reduziert: Sie leisten inklusive Nachtdienste 44 Arbeitsstunden pro Woche. In der Realität beträgt die tatsächliche Arbeitszeit meistens 48 Stunden. Obwohl die normalen Arbeitszeiten deutlich über dem Durchschnitt der Bevölkerung liegen, kommt es immer häufiger zu Notsituationen, wie aktuell im Krankenhaus Bregenz. "Unterbesetzte Abteilungen sind ein strukturelles Problem, das alle Krankenhäuser im ganzen Land betrifft", weiß Riedlinger, Betriebsrätin und als leitende Oberärztin im KH Bregenz.
Ausbildung kommt zu kurz
"Wir sind personell ständig so stark am Limit, dass jeder Ausfall im Team – ob in der Pflege oder bei den Ärztinnen – uns vor größte Probleme stellt", erklärt die Ärztin, die für die Dienstplanerstellung zuständig ist. "Dann geht es nur noch darum, in dieser chronischen Unterbesetzung die Patientinnen zu versorgen, ohne Rücksicht auf Mehrstunden. Leider kommt dadurch auch die Ausbildung der Jungärztinnen zu kurz. Assistenzärztinnen müssen dann alle Aufgaben zur Systemerhaltung übernehmen, die aber nicht viel zu ihrer fachlichen Qualifikation beitragen."
Arbeitsbedingungen als Schlüssel
Die Entscheidung, in einem Krankenhaus zu arbeiten, hängt von der medizinischen Qualität und von den Arbeitsbedingungen in den jeweiligen Häusern ab. So kann es zu Situationen kommen, dass in einem Krankenhaus von sieben Facharztausbildungsstellen nur eine einzige besetzt ist, in einem anderen Krankenhaus im selben Fach dagegen Wartelisten geführt werden müssen. Gerade junge Ärzte stellen hohe Ansprüche an die Qualität der Ausbildung, aber auch an das Arbeitsklima auf den jeweiligen Stationen, betont Krumpholz, Primaria am Krankenhaus Bludenz.
Teufelskreis durchbrechen
Gute Arbeitsbedingungen hängen immer mit der verfügbaren Zeit zusammen, weiß Blaßnig. Sobald die Arbeitsbedingungen aufgrund von Personalmangel schlechter werden, verlassen Ärzte das Krankenhaus, wie dies derzeit in Vorarlberg der Fall ist. Sie wandern in die niedergelassene Praxis ab, wechseln in Krankenhäuser über der Grenze oder in andere Bundesländer. Allein in Dornbirn haben sich laut Blaßnig in den letzten Monaten drei Fachärzte entschieden, als Allgemeinmediziner in die Niederlassung zu gehen.
"Jeder Abgang vergrößert die Personalnot im Krankenhaus und verschlechtert damit weiter die Arbeitsbedingungen in den betroffenen Abteilungen", verdeutlicht er. "Dies führt dazu, dass weitere Fachärztinnen ans Abwandern denken. Wir müssen alles unternehmen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen." Gemeinsames Zeil müsse es sein, langfristig stabile und attraktive Arbeitsbedingungen in den Vorarlberger Krankenhäusern zu sichern, gibt er zu verstehen.
Burgenland: 30 Prozent mehr für Spitalsärzte
Der Kampf um die Spitalsärzte ist in ganz Österreich voll entbrannt. In Vorarlberg wurde dieser Wettbewerb schon vor Jahren erkannt, betont Ärztekammervizepräsident Blaßnig. "Mit attraktiven Einstiegsgehältern wurden Jungärztinnen zur Ausbildung nach Vorarlberg gebracht. Die Kampagne der KHBG (Krankenhausbetriebsgesellschaft) für die Rekrutierung von Jungärztinnen hat lange sehr gut funktioniert", verdeutlicht er. "Allerdings ist die Gehaltskurve nach dem relativ hohen Einstieg dann im Bereich der Oberärzte stark abgeflacht, das macht das Arbeiten in Vorarlbergs Spitälern auf lange Sicht unattraktiv."
Inzwischen liegen Vorarlberg mit den Einstiegsgehältern für Ausbildungsärzte im Mittelfeld in Österreich, bei den Oberärztinnen sei man deutlich zurückgefallen, so Blaßnig: "Das Burgenland hat uns gezeigt, wie es funktioniert. Mit einer deutlichen und raschen Gehaltserhöhung hat der burgenländische Landeshauptmann gezeigt, wie Spitalsärzte erfolgreich gehalten und rekrutiert werden können. Inzwischen verdient ein Oberarzt im Burgenland bis zu 30 Prozent mehr als ein Oberarzt in Vorarlberg."
Guten Ruf gemeinsam verteidigen
Geld allein sei nicht die Lösung, betonen die Spitalsärzte-Sprecher. Es sei aber das unmittelbar und wirksame Mittel für ausreichend Personal und damit mehr Zeit und bessere Arbeitsbedingungen. Verbesserungen seien vor allem bei den Arbeitsbedingungen dringend notwendig. Wenn dies ermöglicht werde, seien die Voraussetzungen für alles andere geschaffen: ein faires Arbeitsklima, eine gute Qualität in der Medizin, modern ausgestattete Krankenhäuser und vor allem ausreichend Zeit für die Ausbildung von jungen ÄrztInnen und für die Patientinnen.
"Wenn man die Situation in Vorarlberg rasch und wirkungsvoll verbessern will, muss der Landeshauptmann wie im Burgenland Geld in die Hand nehmen", erklärt Blaßnig. Davon würden auch die Patienten profitieren – indem Wartezeiten wieder auf ein normales Verhältnis reduziert werden und die hohe medizinische Qualität in den Vorarlberger Krankenhäusern durch ausreichend Personal nachhaltig und langfristig gesichert werden kann.
Mehr dazu
(VOL.AT)