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Literaturfestival in Wien erörtert "Das andere Russland"

Ein Wiener Literaturfestival befasst sich mit dem "anderen Russland".
Ein Wiener Literaturfestival befasst sich mit dem "anderen Russland". ©CanvaPro (Sujet)
Die Alte Schmiede in Wien widmet sich Ende nächster Woche mit der Veranstaltung "Das andere Russland. Literatur in der Zeit des Krieges" den Werken russischer Intellektueller, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich gegen das beinahe totalitäre Regime unter Wladimir Putin stellen.

Neben mehrheitlich im Exil lebenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern dürfen dabei mit besonderer Spannung die Auftritte von weiterhin in Russland lebenden Literaten erwartet werden.

Literaturfestival in Wien erörtert in der Alten Schmiede "Das andere Russland"

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine beschäftigt sich auch Österreich nahezu tagtäglich mit den Konsequenzen dieser Entscheidung, die der russische Präsident Wladimir Putin in einer denkwürdigen Fernsehansprache in der Nacht auf den 24. Februar 2022 verkündet hat. Seit damals lag der Fokus auf einer Unterstützung der Ukraine und Kulturinstitutionen auch in Österreich verliehen ukrainischen Literatinnen, Literaten, Künstlerinnen sowie Künstlern eine angemessene Sichtbarkeit, die es zuvor nie gegeben hatte.

Russische Stimmen gegen Putin und den Ukraine-Krieg

Andererseits kamen selbst jene russische Stimmen, die sich gegen Putin und den Krieg artikulierten, seit dem vergangenen Jahr in Österreich nur vergleichsweise sporadisch zu Wort. Vereinzelt kam es zudem zu sachter Selbstzensur bei Kulturinstitutionen, die im Zusammenhang mit denkbarer ukrainischer Kritik an der Präsenz von Kulturschaffenden aus dem Aggressorenstaat verstanden werden konnte. "Man sollte sie (die Russen, Anm.) nicht mit der Bewunderung für ihre 'großartige Kultur' verwöhnen, denn sie werden diese Bewunderung in Raketen umwandeln", war im Frühjahr 2022 auch auf affichierten Plakaten der "Cancel Russia"-Kampagne in Wien zu lesen, die im Umfeld des Charkiwer Künstlers Pawlo Makow konzipiert worden war.

Festival "Literatur im Herbst"

Im Rahmen des traditionellen Festivals "Literatur im Herbst" konzentriert sich die Alte Schmiede, die in der Vergangenheit sowohl ukrainische als auch russische Literatur großzügig präsentiert hat, in diesem Jahr auf Russland. Es handelt sich um die bis dato größte "russische" Kulturveranstaltung seit dem vergangenen Jahr in Österreich. Mit dem Titel spielt der für das Festival inhaltlich verantwortliche Übersetzer und Literaturkritiker Erich Klein gerade auch auf die sogenannte "andere Kunst" an: In der russischen Kunstgeschichte ist damit jene Sowjet-Kunst aus den späten Fünfzigern bis in späten Achtziger gemeint, für die es aus ideologischen sowie ästhetischen Gründen keinen Platz im staatlichen Kunstsystem der UdSSR geben sollte.

Schwarze Listen in Russland

Im aktuellen Russland mehren sich mittlerweile erneut schwarze Listen, wobei im Unterschied zur Vergangenheit die nunmehrigen Kreml-Chefideologen bisher jedoch kein ästhetisches Programm formulierten. Denn der im Exil lebende Literat Dmitry Glukhovsky, der im Rahmen des Festivals "Geschichten aus der Heimat" am 25. November lesen wird, wurde nicht wegen seiner literarischen Zugänge zunächst als "Auslandsagent" diffamiert und in Folge für die "Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee" in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilt. Das Vergehen von Glukhovsky, Jahrgang 1979, bestand darin, dass er in Interviews offen sagte, was er über die sogenannte "militärische Spezialoperation" denkt.

Viktor Jerofejew dürfte indes eine Art Flashback erleben

Der 76-jährige Viktor Jerofejew dürfte indes eine Art Flashback erleben: In Glukhovskys Geburtsjahr war er in einen Skandal in Moskau verwickelt - er hatte damals mit Kollegen vergeblich versucht, in Eigenregie den literarischen Almanach "Metropol" in der Sowjetunion zu veröffentlichen. Seit 2022 lebt er in Berlin, sein aktueller Roman "Der Große Gopnik" erschien in Deutschland und eine offizielle Veröffentlichung in Russland dürfte derzeit eher schwierig sein: Jerofejew erzählt stets, dass er Putin eben für einen solchen Hinterhofhooligan, russisch gopnik, erachtet.

Roman "Der Große Gopnik"

Aus Berlin, dem derzeit zentralen Exilort der Moskauer Kulturszene, reisen aber auch die Schriftstellerin und Dichterin Maria Stepanova sowie die Literaturkritikerin Anna Narinskaya an. Letztere wird beim Festival Dokumentarfilme über Antisemitismus in der Sowjetunion sowie die US-amerikanische Verlagshaus "Ardis Publishing" präsentieren, das im ausgehenden kalten Krieg sowjetische Undergroundliteratur veröffentlichte, darunter den seinerzeit in der Heimat verbotenen Almanach von Jerofejew und Co.. Aktuelle Beiträge und Eindrücke aus Moskau sollen indes die Lyriker Michail Eisenberg und Yuli Gugolew sowie die Literaturwissenschaftlerin Olga Skonechnaya mitbringen. Auch angesichts verschärfter Visabedingungen darf die Präsenz von auch prominenten Kulturschaffenden aus Russland bei Festivals in der EU mittlerweile nicht mehr als selbstverständlich gelten. "Das ist nicht ohne Barriere und Hindernisse", sagte Kurator Klein zur APA.

Politische Analysen und DIskussionen

Insbesondere stehen in der Alten Schmiede aber auch politische Analysen und Diskussionen zum aktuellen Russland am Programm. Zum Auftakt hält "Auslandsagent" Kirill Rogov den Eröffnungsvortrag, der Politikexperte betreibt von Wien aus das liberale Online-Medium "Re:Russia". Im Anschluss präsentiert der an der Central European Unversity in Wien tätige Kulturwissenschafter Alexander Etkind sein pointiertes Pamphlet "Russia Against Modernism". Über die Kultur im Krieg werden die beiden zudem am Samstag noch gemeinsam mit der Schauspielchefin der Salzburger Festspiele, Marina Davydova, diskutieren. "Das andere Russland" bietet eine rare Chance diese drei führenden russischen Exil-Intellektuellen mit Österreich-Bezug gemeinsam auf einer Bühne zu sehen.

"33 Jahre Literatur im Herbst: Das andere Russland, Literatur in der Zeit des Krieges", 24.-26. November, Alte Schmiede, Wien 1, Schönlaterngasse 9. Eintritt frei. www.alte-schmiede.at

(APA/Red)

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