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Liechtensteins EWR-Veto - Neuer Streit

Liechtenstein streitet mit den Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei. Mit der Weigerung, das erweiterte EWR-Abkommen zu unterzeichnen, flammt der Konflikt wieder auf.

“In einem gemeinsamen Wirtschaftsraum geht das nicht, dass einer sagt, wir erkennen den anderen nicht an“, sagt der Sprecher des Fürsten Hans Adam II. zur APA. „Das stimmt“, bestätigt der Sprecher der tschechischen Botschaft in Wien. „Wir haben die Souveränität des Fürstentums Liechtenstein nicht anerkannt, weil das Fürstentum die tschechische und slowakische Republik nicht anerkennen will.“

Vaduz habe die Anerkennung der 1993 gebildeten Staaten stets an Vermögensfragen geknüpft, erklärte der Prager Botschaftssprecher. Die Liechtensteins gehörten einst zum böhmisch-österreichischen Adel. 1620, nach der Schlacht auf dem Weißen Berg, wurde Karl von Liechtenstein, kaiserlicher Statthalter in Prag, zu einem der größten Grundbesitzer in den Böhmischen Ländern. Mit der Bildung der Tschechoslowakei 1918 und einer Bodenreform änderte sich dies.

Ein Teil des Landeigentums wurde enteignet. Doch die Liechtensteiner, mittlerweile schon Herren im Schloss Vaduz, kämpften um ihren Besitz. 1938 willigte der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes einer Entschädigung ein. Das Geld dürfe aber nicht außer Landes gebracht werden, war die Bedingung. Das Geld kam den deutschen Besatzern in die Hände. Die Adeligen sahen nichts davon. 1945 wurde dann der gesamte Besitz verstaatlicht, auf Grund der Benes-Dekrete.

Es hieß, die Liechtensteins hätten sich bei einer Volkszählung 1930 als Deutsche registrieren lassen. Außerdem soll Vaduz, diplomatisch durch die Schweiz vertreten, das Protektorat Böhmen und Mähren sowie den slowakischen Vasallenstaat Adolf Hitlers völkerrechtlich anerkannt haben. „Sie waren nie Deutsche“, widerspricht der Sprecher von Fürst Hans Adam.

Liechtenstein trauerte seinen Kunstwerken, Immobilien und 1.600 Quadratkilometer Land lange Zeit nach. Das Fürstentum selbst würde mit seien 160 Quadratkilometern zehnmal in den ehemaligen Besitz passen. Noch 1995 erklärte Hans Adam: „Wir pochen darauf, dass wir gleich wie souveräne Staaten behandelt und entschädigt werden, oder dass man uns unser Eigentum zurückgibt.“ 1992 hatte Liechtenstein gedroht, ein Veto gegen die Aufnahme der Tschechoslowakei in das Freihandelsabkommen EFTA auszusprechen. Später stimmte Vaduz aber dann doch zu.

Die nunmehrige Blockade der EWR-Erweiterung, so erklärt der Sprecher Hans Adams, habe nichts mit den damaligen Besitztümern zu tun. Das seien zwei Paar Schuhe. Liechtenstein gehe es ausschließlich um die völkerrechtliche Anerkennung. Und diese sei kein bilaterales Problem.

Tschechien seinerseits weigert sich diese Angelegenheit nicht als bilateral anzusehen. Tschechien will bilaterale Themen auch nicht mit dem EWR-Vertrag verknüpfen. Aus einer Aussendung des tschechischen Außenministeriums geht hervor, dass Prag wiederholt seine Bereitschaft erklärt habe, Liechtenstein anzuerkennen. Auch Preßburg wolle dies tun, sofern die Anerkennung nicht an bestimmte Bedingungen geknüpft werde, hieß es aus dem slowakischen Außenministerium. Der Sprecher Hans Adams ergänzte: „Sie wollen die Anerkennung zeitlich begrenzen“. Ab 1993 wurde dem Fürsten angeboten. Liechtenstein will jedoch seit seiner Gründung 1866 anerkannt sein.

Auch die beiden EWR-Mitglieder Norwegen und Island haben aus Solidarität mit Liechtenstein gegen das Erweiterungsabkommen gestimmt. Der Ausweg aus dem Teufelskreis: „Es gibt Gespräche“, sagt der Sprecher des Fürsten. „In Verhandlungen werden wir schon eine Lösung finden.“ Doch die Zeit drängt. Das erweiterte EWR-Abkommen sollte mit 1. Mai in Kraft treten.

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