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Liechtenstein aufgewühlt

Die Verfassungsinitiative des Liechtensteiner Fürsten Hans-Adam II. wühlt das Land auf.

In einem flammenden Appell riefen am Samstag zwölf ehemalige Parlamentarier den Landtag auf, für die demokratischen Institutionen und Rechte einzustehen. Der offene Brief der früheren Volksvertreter aus allen drei politischen Parteien, somit auch der regierenden Fortschrittlichen Bürgerpartei, wurde in beiden liechtensteinischen Tageszeitungen als großflächiges Inserat publiziert. Mit größter Sorge werde der Gang der Verfassungsrevision verfolgt, welche sich in einem Prozess befinde, „der die Achtung vor den demokratischen Institutionen vermissen lässt“, heisst es im Brief. Wer nicht einstehe für den Staat mit seinen Institutionen und demokratischen Rechten, sei schwach und werde sie verlieren.

Aber auch ein Fürst, der über ein „geschwächtes und demokratisch entmündigtes“ Volk regiere, sei selber schwach. Es fehle ihm die Legitimation, wenn er kein Volk habe, das für seinen Staat und seine Recht selbstbewusst einstehe sowie seinen Fürsten durch Achtung stärke, heißt es in dem Appell. Die Landtagsabgeordneten werden aufgefordert, den parlamentarischen Prozess bei der Verfassungsrevision zu durchlaufen und „nicht zu unterlaufen“. Im Hinblick auf die Volksabstimmung gelte es, Stärken und Schwächen der Vorlage aufzuzeigen. Dafür habe das Volk Vertreter in sein Parlament geschickt.

In Erinnerung an die Drohung des Monarchen, wonach er bei einer Abstimmungsniederlage nach Wien ziehen werde, schreiben die zwölf ehemaligen Parlamentarier: „Die Angst, der Fürst werde uns verlassen, ist groß, die Angst vor der Selbstaufgabe als Volk müsste größer sein!“

Die Initiative des Fürsten hat im Kleinstaat zu heftigen Reaktionen geführt. Bereits letzten Montag war bei der Regierung eine Abstimmungsbeschwerde gegen die Initiative deponiert worden, unterzeichnet von 28 Personen aus allen drei Parteien im Fürstentum. In den Leserbriefspalten der Zeitungen war die Fürsten-Initiative das alles dominierende Thema. Dabei trat auch Fürst Hans- Adam selber mit einer Replik als Leserbriefschreiber auf. Er nannte die Beschwerdeführer „Gegner der Monarchie“. Diese machen einen „eklatanten Verstoß“ gegen die Abstimmungsfreiheit geltend, weil der Fürst gedroht hat, er werde das Land bei einer Ablehnung der Initiative verlassen.

Regierungschef Otmar Hasler erklärte, die Frage eines Wegzugs des Monarchen nach Wien bei einer Abstimmungsniederlage sei hypothetisch. Er gehe davon aus, „dass unser Staatsoberhaupt seinen Sitz in Vaduz hat“. (Das Fürstenhaus hat erst seit 1938 seinen Wohnsitz in Vaduz.) Der Verfassungsstreit dauert bereits seit einem Jahrzehnt. Die Regierung der Fortschrittlichen Bürgerpartei hatte im Dezember nach einer Einigung mit dem Staatsoberhaupt einen Vorschlag für eine neue Verfassung dem Parlament unterbreitet. In der ersten Lesung war kritistiert worden, dass die neue Verfassung die Souveränität von Hans-Adam II. stärke.

In mehreren Gutachten internationaler Rechtsexperten waren die Reformvorschläge des Monarchen als problematisch beurteilt worden, vor allem unter dem Aspekt der völker- und europarechtlichen Demokratiebestimmungen. Auch der deutsche Verfassungsjurist Jochen Frowein, einer der drei EU-„Weisen“, die die politische Lage in Österreich nach dem Regierungseintritt der Freiheitlichen im Jahr 2000 untersuchten, hatte die Ideen des Monarchen kritisiert.

Liechtenstein ist das letzte Relikt des 1806 von Kaiser Franz II. für aufgelöst erklärten Heiligen Römischen Reiches. Der 160-qkm-Staat, der UNO-Mitglied ist, ging aus der 1699 von der aus Niederösterreich stammenden Familie Liechtenstein erworbenen Herrschaft Schellenberg und der 1712 den Grafen von Hohenems abgekauften Grafschaft Vaduz im Oberen Rheintal hervor. 1719 erhob Kaiser Karl VI. die beiden Territorien zu einem reichsfreien Fürstentum. Hans Adam II., der auch die Titel Herzog von Troppau und Jägerndorf und Graf von Rietberg führt, bestieg 1989 nach dem Tod seines Vaters Franz Joseph II. als 13. Landesfürst den Thron.

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