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Lichtermeer am Wiener Stephansplatz nach Amoklauf in Graz

Schwertner (links) und Landau (rechts).
Schwertner (links) und Landau (rechts). ©APA/GEORG HOCHMUTH
Einen Tag nach dem Amoklauf von Graz hat es am Mittwoch am Wiener Stephansplatz ein Lichtermeer gegeben.
So lief der Polizeieinsatz ab
Forderungen nach Waffenverbot für Privatpersonen
Neue Details zum Amoklauf

Zum Gedenken an den Amoklauf von Graz haben am Mittwoch ein Lichtermeer am Wiener Stephansplatz und eine Andacht im Stephansdom stattgefunden. Bereits einen Tag später, dem Donnerstag wird bei einem Gedenkgottesdienst im Stephansdom ein weiteres Mal an die Opfer der Tat erinnert, bei einem Gedenkgottesdienst um 18 Uhr werden auch die politischen Spitzen anwesend sein werden.

Gedenkgottesdienst nach Grazer Amoklauf

Zu dem Gottesdienst am Donnerstag lädt die Österreichische Bischofskonferenz in Abstimmung mit der Bundesregierung ein. Salzburgs Erzbischof Franz Lackner, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, wird dem überkonfessionellen Gottesdienst vorstehen. Erwartet werden unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Mitglieder der Bundesregierung und weitere Vertreterinnen und Vertreter der Politik, aber auch der Ökumene und anderer Religionen.

Der Gottesdienst zum Ende der dreitägigen Staatstrauer wird live von ORF 2 ab 17.30 Uhr übertragen. Zunächst steht eine "ZIB Spezial" auf dem Programm, um 18 Uhr beginnt der "Gedenkgottesdienst für die Opfer von Graz". Die offizielle Staatstrauer Österreichs endet dann um 19 Uhr mit dem Läuten der Pummerin.

Mehrere Hundert Menschen waren am Mittwoch dem Aufruf der Caritas und der Jungen Kirche der Erzdiözese am Mittwochnachmittag gefolgt. "Wir wollen ein starkes Zeichen setzen, das in Richtung Graz gesendet wird", sagte Caritas-Wien-Chef Klaus Schwertner der APA. "So etwas wie eine Umarmung der Familien und Freunde der Opfer".

Viele Menschen würden sich seit dem Amoklauf in einer Art "Ohnmacht" befinden und seien überfordert mit der Situation, sagte er. "Unsere Aufgabe ist es jetzt, einmal mehr in Österreich zusammenzuhalten, aufeinander zuzugehen und füreinander da zu sein. Und genau das wollen wir am heutigen Tag zeigen."

Kerzen neben Wiener Stephansdom

Am Mittwochnachmittag herrschte am Stephansplatz ein Kommen und Gehen, laut den Veranstaltern zündeten mehrere Hundert Menschen weiße Kerzen an und stellten sie neben dem Eingang des Stephansdoms ab. Insgesamt stellte die Caritas Wien 3.000 Kerzen bereit, sagte eine Sprecherin der APA. Unter den Teilnehmern waren auch Caritas-Europa-Präsident Michael Landau sowie die Grünen-Politiker Werner Kogler und Alma Zadić.

Eine 24-jährige Wienerin, die eine Kerze anzündete, sagte der APA, ihr sei der Vorfall in Graz "sehr nahe gegangen". Die junge Frau habe sich selbst nicht immer vollkommen wohlgefühlt in der Schule, ihr bleibe die Schulzeit aber grundsätzlich in positiver Erinnerung. Im Gegensatz zu vielen anderen, die kurz innehielten und dann weitergingen, blieb die 24-Jährige länger beim Lichtermeer und besuchte die Andacht im Stephansdom.

Im Dom führten Musiker und Musikerinnen durch das Gedenken. Teilnehmer hatten die Möglichkeit, mit Seelsorgern zu sprechen und Kerzen anzuzünden. Zudem waren Stationen aufgebaut, an denen man Botschaften oder Wünsche hinterlassen konnte.

Josef Grünwidl, Apostolischer Administrator der Erzdiözese Wien, zeigte sich erfreut, dass die Katholische Jugend zu einem Gebet und Gedenkgottesdienst einlud, "bei dem auch Trauer und Verzweiflung Platz haben", sagte er der APA. Am Donnerstag werde es nach dem Ende der Staatstrauer einen weiteren Gottesdienst geben, um der Opfer von Graz zu gedenken und um "die Perspektive der Hoffnung zu feiern, sodass der Tod und das Böse, Hass und Brutalität nicht das letzte Wort haben".

Van der Bellen nach Amoklauf in Graz

Nach dem Amoklauf in einer Schule hat sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch im Grazer Rathaus in das von der Stadt aufgelegte Kondolenzbuch eingetragen und bei einer emotionalen Gedenkveranstaltung am Hauptplatz teilgenommen. Vom Amoklauf betroffene Schüler und der Bruder einer getöteten Jugendlichen sprachen unter Tränen vor Tausenden über ihre Gefühle und das Erlebte: "Ich lasse nicht zu, dass uns dieser Tag zerreißt. Unsere Antwort ist Liebe."

Van der Bellen war vor der Gedenkveranstaltung, die von der Muslimischen Jugend Österreich, Landesverband Steiermark, zusammen mit zahlreichen weiteren Jugendorganisationen und dem Steirischen Landesjugendbeirat organisiert wurde, noch für Gespräche bei Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) in der Grazer Burg und bei Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) im Rathaus. Diese seien laut Van der Bellen "einerseits von dem Schrecken und Horror geprägt, den wir gestern erlebt haben. Aber andererseits wurde der Polizeieinsatz gewürdigt. Es ging schnell, es hätte schlimmer kommen können, so furchtbar das auszusprechen ist."

Van der Bellen meinte aber auch: "Es stellen sich Fragen für die Zukunft - eine betrifft den 21-Jährigen. Er hatte Waffen für den Einsatz bereit. Ist die Rechtslage wirklich so, dass sie modernen Anforderungen genügt? Das wird zu prüfen sein. Und die zweite Frage ist, die vielleicht noch wichtiger ist: Wie kann die Sicherheit von Schulen und Kindergärten besser werden, weil hundertprozentige Sicherheit kann es nie geben."

"Der Schock über die toten Kinder und Jugendlichen sitzt natürlich ganz, ganz tief. Das hat es in diesem Ausmaß in Österreich noch nie gegeben. Ich verstehe, dass Graz, die ganze Steiermark und Österreich trauert. Wir haben sehr viele mitfühlende Botschaften aus dem europäischen Ausland bekommen. Alle nehmen das sehr ernst, was hier passiert ist. Und wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir ein bisschen mehr tun können, um den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schülerinnen und Schülern das Gefühl von mehr Sicherheit zu geben", sagte der Bundespräsident in einem Medienstatement am Hauptplatz.

"Wir werden zusammenstehen"

Er fuhr fort: "Graz ist leider im Fokus. Es ist eine wunderschöne Stadt, die wir sehr gerne mögen, aber es ist leider hier passiert. Wir werden zusammenstehen." Auf die Frage, was er den Eltern der getöteten Kinder sagen könne, meinte er: "Wenn ich mir vorstelle, dass einer meiner Söhne in die Schule gegangen wäre und zu Mittag nicht mehr heimkommt. Das ist einfach schrecklich."

Van der Bellen wurde auch zu den geltenden Waffengesetzen und seiner Meinung befragt: "Politikerinnen und Politiker werden sich sicher anschauen, wie es sein kann, dass ein 21-Jähriger Kurz- und Langwaffe besitzt, und die Möglichkeit hat, entsprechende Munition zu kaufen und dieses Unheil anzurichten. Ich habe auch schon Medien entnommen, dass Österreich angeblich ein liberales Waffenrecht hat. Die Frage ist: Wie können wir die Wahrscheinlichkeit solcher Morde verringern."

Im Anschluss fand die kurzfristig organisierte Gedenkveranstaltung statt, die auch mit Ansprachen von Van der Bellen und Kahr eingeleitet wurden. Kahr betonte wie schon am Dienstag, dass die Menschen nun füreinander da sein und sich umarmen sollten, um zu zeigen, "dass man nicht alleine ist". Es gelte "gemeinsam zusammenzustehen und zusammenzuhalten - für Frieden, Solidarität und Respekt. Halten wir gemeinsam zusammen."

Nach Kahr richtete der Bruder einer verstorbenen Schülerin, selbst noch ein Jugendlicher, das Wort an die tausenden Menschen am Grazer Hauptplatz. Unter Tränen gab er Einblicke in seine Gefühlswelt und sprach zu seiner toten Schwester: "Wir vermissen dich. Wir lieben dich." Betreuer begleiteten ihn anschließend von der Menschenmenge weg durch den Eingang ins Rathaus, um ihm dort Trost zu spenden. Bürgermeisterin Kahr verließ die Gedenkveranstaltung für ein paar Augenblicke und folgte dem Jugendlichen. Abseits sämtlicher Kameras nahm sie sein Gesicht zwischen ihre Hände, sprach zu ihm und umarmte ihn herzlich.

"Panik, Angst und Ungewissheit, aber auch Zusammenhalt"

Währenddessen sprach eine Schülerin, die den Amoklauf miterlebt hat, zu den Teilnehmern der Gedenkveranstaltung. Sie schilderte lebhaft, wie die Jugendlichen "um ihr Leben gerannt" sind, über Zäune sprangen und schließlich in der Helmut List-Halle in Sicherheit ankamen. Ihre Gefühle beschrieb sie mit den Worten: "Panik, Angst und Ungewissheit, aber auch Zusammenhalt." Sie fuhr fort: "Eltern standen draußen und hofften, dass ihre Kinder leben. Manche haben vergeblich gehofft." Sie trage die Schicksale ab jetzt mit sich, "aber ich lasse nicht zu, dass uns dieser Tag zerreißt. Unsere Antwort ist Liebe."

(APA/Red)

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